Nach dem Aus für Jamaika Die SPD setzt auf Neuwahlen

BERLIN · Die Sozialdemokraten lehnen eine große Koalition ab. Die AfD und die Linke sind zufrieden mit dem Ende der Sondierungen. Und in London, Paris, Brüssel und Ankara wundert man sich über die neue Entwicklung in Berlin.

 Will Neuwahlen: SPD-Chef Martin Schulz vor der Willy-Brandt-Statue in der Parteizentrale in Berlin.

Will Neuwahlen: SPD-Chef Martin Schulz vor der Willy-Brandt-Statue in der Parteizentrale in Berlin.

Foto: dpa

Da war es wieder, das Händchen der SPD-Führung für kommunikative Missgeschicke in entscheidenden Momenten. Ein für 10 Uhr angekündigtes Pressestatement mit Parteichef Martin Schulz musste am Montagmorgen kurzerhand Noch-Generalsekretär Hubertus Heil übernehmen, weil Schulz vor den wichtigen Gremiensitzungen auf einmal doch nicht vor die Kameras treten wollte. Heil sagte sinngemäß knapp: Man werde jetzt in Präsidium und Parteivorstand über die beispiellosen Folgen aus den gescheiterten Jamaika-Sondierungen beraten. Fertig. Fragen ließ er nicht zu.

Prompt wurde spekuliert, ob oben auf der Vorstandsebene des Willy-Brandt-Hauses mächtige Fürsprecher einer großen Koalition den Druck auf Schulz erhöhen, seine bisherige Verweigerungshaltung zu einem Bündnis mit der Union doch aufzugeben. Vor allem konservative Sozialdemokraten und einzelne prominente Genossen wie der geschäftsführende Außenminister und frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel hatten in der Vergangenheit immer wieder durchblicken lassen, dass sie das kategorische Ausschließen einer großen Koalition nicht teilen wollen.

Am frühen Nachmittag kam dann die Gewissheit. Die SPD-Führung fasste einstimmig einen Beschluss mit diesem Kernsatz: „Wir stehen angesichts des Wahlergebnisses vom 24. September für den Eintritt in eine große Koalition nicht zur Verfügung“, heißt es in dem Papier. Neuwahlen scheue man nicht, betonte dann auch Martin Schulz bei einer Pressekonferenz. Er gehe davon aus, dass es dazu komme, sagte der SPD-Vorsitzende.

Verantwortung nicht zurückgeben

Und das nur eine halbe Stunde, bevor Bundespräsident Steinmeier in seiner Stellungnahme alle demokratischen Parteien dazu aufrief, offen für Gespräche zu sein. „Das ist der Moment, in dem alle Beteiligten noch einmal innehalten und ihre Haltung überdenken sollten“, sagte Steinmeier und meinte damit auch klar die SPD, wobei er seine Mitgliedschaft qua Amt derzeit ruhen lässt.

Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der dürfe sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen halte. Man trage Verantwortung und könne diese auch nach der Vorstellung des Grundgesetzes nicht einfach an die Wähler zurückgeben, sagte Steinmeier. „Diese Verantwortung geht weit über die eigenen Interessen hinaus und gilt insbesondere nicht nur gegenüber den Wählern der jeweils eigenen Partei“, so Steinmeier.

Der frühere SPD-Chef Kurt Beck widersprach dem nun. „Eingedenk der Ausführungen des Bundespräsidenten haben wir auch eine staatspolitische Verantwortung dafür, den Willen unserer Wähler zu respektieren“, sagte Beck unserer Redaktion. Und der laute klar, dass die große Koalition nicht weiter regieren solle. „Sondierungsgespräche sind also sinnlos“, sagte Beck.

Auch Schulz stieß in dieses Horn, wenn auch etwas verklausuliert: Die Parteien der großen Koalition hätten bei der Wahl ein Minus von 14 Prozentpunkten eingefahren, damit habe das Bündnis aus Union und SPD klar die rote Karte bekommen, sagte Schulz.

SPD will Diskussionen über große Koalition im Keim ersticken

Teilnehmern der Sitzungen zufolge gab es aber durchaus Diskussionsbedarf zum aktuellen Kurs. So wurde Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil wie folgt zitiert: „Wer jetzt die große Koalition ausschließt, könnte ihr schnell wieder begegnen.“ Irgendwann brauche das Land ja eine stabile Regierung, sagte Weil, der gerade erst eine große Koalition mit der CDU eingegangen ist. Und auch in anderen Teilen der Partei tauchte das Argument auf.

Der Beschluss war indes das Gegenteil: Mit dem Papier soll jedwede Diskussion über eine große Koalition im Keim erstickt werden. Und so fügte auch Stephan Weil Teilnehmern zufolge hinzu, dass er Neuwahlen für richtig halte, um glaubwürdig zu bleiben.

Nun muss Schulz erst einmal am kommenden Mittwoch in einem Gespräch mit Steinmeier seine Position verteidigen. Wie das dann auf die Union und andere Optionen wirkt, ist offen. Von einer Minderheitenregierung halten die Genossen jedenfalls auch nicht viel.

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