Maut Die Pkw-Maut kommt – aber ganz anders

Brüssel · Wochenlang hatten Berliner und Brüsseler Beamte die Maut-Vorlage von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zerpflückt. Am Donnerstagabend gab es grünes Licht: Die Maut kann kommen, weil sie genau genommen nur noch in Teilen eine Straßenbenutzungsgebühr ist. Denn der CSU-Politiker hat Federn lassen müssen.

 Die zwei von der Mautstelle: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und die EU-Kommissarin für Verkehr, Violeta Bulc.

Die zwei von der Mautstelle: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und die EU-Kommissarin für Verkehr, Violeta Bulc.

Foto: dpa

Der Weg für eine deutsche Pkw-Maut war schon frei, bevor Alexander Dobrindt am Donnerstagabend das Amtszimmer von EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc betrat. Wochenlang hatten Berliner und Brüsseler Beamte die Vorlage des Bundesverkehrsministers zerpflückt und anschließend wieder zusammengesetzt. Am Donnerstagabend gab es grünes Licht: Die Maut kann kommen, weil sie genau genommen nur noch in Teilen eine Straßenbenutzungsgebühr ist. Denn der CSU-Politiker hat Federn lassen müssen.

Der wichtigste Teil des Rückzugs von den ursprünglichen Plänen: Von einer Eins-zu-eins-Entlastung der deutschen Autofahrer kann keine Rede mehr sein. Der zentrale Einwand der EU-Kommission – die Diskriminierung von Ausländern auf deutschen Straßen – war nur zu entkräften, indem Dobrindt aus der Maut ein umweltpolitisches Steuerungsinstrument machte. Besitzer von Autos, die die niedrigen Grenzwerte der Euro-VI-Norm einhalten, sollen mehr von der Kfz-Steuer zurückbekommen als die Maut (die Rede ist von bis zu 130 Euro im Jahr) eigentlich kostet.

Das beschert dem Minister ein Minus von rund 100 Millionen Euro in seiner Rechnung. Auch die Gebühren für ausländische Autofahrer werden ökologisch angepasst. Wer mit einem sauberen Auto der Euro-VI-Norm über die Grenze kommt, bezahlt für eine Zehn-Tages-Vignette nur noch 2,50 Euro (statt fünf). Die weiteren Preisklassen: vier, acht, 14 und 20 Euro statt der geplanten fünf, zehn und 15 Euro.

Nur eine Absichtserklärung

Diese Erhöhung bei den älteren Fahrzeugen dürfte, so streuten Dobrindts Beamte in Brüssel, die Senkung im unteren Bereich auffangen. Aus der Infrastrukturabgabe ist also eine umweltpolitische Maßnahme geworden, die die Autobesitzer zur Anschaffung schadstoffarmer Fahrzeuge motivieren soll. Trotz der Veränderungen verspricht Dobrindt Einnahmen in Höhe von 500 Millionen Euro im Jahr, die in den Neubau und die Sanierung der deutschen Verkehrswege fließen.

„Eines ist schon jetzt sicher: Der Minister hat klaren Wortbruch begangen“, kommentierte der Verkehrsexperte der SPD-Fraktion im EU-Parlament, Ismail Ertug. „Denn die CSU wird mit ihrem Mautvorhaben, nur Ausländer zu belasten, grandios scheitern.“ Das muss sich zeigen.

Das Wohlwollen der EU-Verkehrskommissarin ist bisher nur eine Absichtserklärung. Man wolle die endgültigen Gesetzestexte „erst prüfen“, ehe man die im September angedrohte Klage gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zurückziehe, hieß es aus dem Umfeld von Kommissarin Bulc.

Genau hinschauen wird man auch in Belgien, den Niederlanden und vor allem Österreich. Wiens Verkehrsminister Jörg Leichtfried betonte schon gestern, man behalte sich eine Klage vor, sollte sich herausstellen, dass die deutsche Pkw-Maut zu einer Diskriminierung österreichischer Autofahrer führe. Die niederländische und belgische Regierung hatten bereits damit gedroht, sich für die deutsche Abgabe mit der Einführung einer eigenen Maut zu revanchieren – Dobrindt bringt das europäische Gleichgewicht in Sachen Wegzoll ins Wanken.

Hinzu kommt, dass vor allem sozialdemokratische Vertreter aus Deutschland in Brüssel durchblicken ließen, die Dobrindt-Pläne seien „ja auch in Berlin noch nicht durch“. Gerade im beginnenden Bundestagswahlkampf werde die SPD die Pläne der CSU keineswegs einfach „abnicken“, sondern bei Abweichung gegenüber den Zusagen im Koalitionsvertrag „unter Umständen heftig reagieren“. Soll heißen: ausbremsen.

Bis die Maut auf die Straße kommt, dürfte es ohnehin noch mindestens bis Anfang 2018 dauern. Denn zunächst muss in einer europaweiten Ausschreibung ein Betreiber des künftigen Systems gefunden werden, das nicht auf Vignetten setzt, sondern auf ein Kamera-Netz, das die Kfz-Kennzeichen auslesen und dann durch einen Computerabgleich feststellen soll, ob die Gebühr bezahlt wurde oder nicht. Derartige Ausschreibungen könnten sich, so hieß es in Brüssel, über viele Monate hinziehen.

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