SPD in der Bundestagswahl Die Euphorie um Schulz ist gewichen

Berlin · Die neuen Zahlen zeigen, dass die SPD in Umfragen zurückgefallen ist. Der Schulz-Zug wartet im Bahnhof.

 Der SPD-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Martin Schulz, ist der Hoffnungsträger seiner Partei.

Der SPD-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Martin Schulz, ist der Hoffnungsträger seiner Partei.

Foto: dpa

Um SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ist es ruhiger geworden – kaum Interviews, keine Talkshows, hier und da Auftritte in den Landtagswahlkämpfen. Niemand könne fünf Monate lang jeden Tag den Wahlkampf befeuern, findet man im Willy-Brandt-Haus und lässt den Kandidaten bewusst gerade ein bisschen leiser treten.

Der Schulz-Hype ist vorbei. Aber: „Der Schulz-Schub existiert noch genauso wie die Merkel-Müdigkeit. Nur die unkritische Begeisterung gegenüber Schulz hat nachgelassen“, meint der Essener Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. Die Umfragewerte spiegeln diese Einschätzung. Während die SPD kurz nach der Nominierung von Schulz zum Kanzlerkandidaten in den Umfragewerten auf Augenhöhe mit der Union schoss, liegen aktuell wieder gut fünf Prozentpunkte zwischen den beiden großen Volksparteien.

Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des „Stern“ zeigt zudem, dass Schulz bei der Kanzlerpräferenz deutlich hinter Merkel liegt. Bei einer Direktwahl würden sich 44 Prozent für Merkel und 30 Prozent für Schulz entscheiden. Der Dämpfer für die SPD in den Umfragen kam mit der Saarland-Wahl, die die Union überraschend klar gewann. Zudem konnte sich die Union stabilisieren, nachdem sie zumindest auf offener Bühne nicht mehr um die Flüchtlingsfrage und eine Obergrenze streitet.

Der Politikberater Michael Spreng sieht den viel zitierten „Schulz-Zug“ derzeit im Bahnhof warten. „Wenn die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und NRW erfolgreich für SPD verlaufen, dann wird auch der Schulz-Zug wieder an Fahrt aufnehmen“, sagt Spreng. Ansonsten werde er weiter rumpeln. Spreng meint auch, dass Schulz neben der sozialen Gerechtigkeit dringend ein zweites großes Thema benötige. „Wenn er mutig ist, koppelt er an Macron an und setzt auf Europa.“

Weitgehend einig sind sich die Experten, dass Schulz die SPD als Volkspartei ins Rennen zurückgebracht hat. Aus Sicht des Berliner Politikwissenschaftlers Oskar Niedermayer ist aber eine wesentliche Komponente des Schulz-Effekts für die SPD in Gefahr. „Spätestens mit der Verabschiedung des Wahlprogramms Ende Juni muss Schulz auch inhaltlich konkrete Fragen beantworten. Damit wird er dann auch mehr Gegner mobilisieren.“ Er werde es nicht schaffen, bis zur Bundestagswahl Ende September die SPD auf Augenhöhe mit der Union zu halten.

Als Beispiel dafür, wie klare Haltung für Gegenwind sorgen kann, führt Niedermayer die Saarland-Wahl an. Damals ließ die SPD-Spitze bewusst laufen, dass es im Saarland zu einer rot-rot-grünen Koalition unter Führung der SPD kommen könnte. Dies mobilisierte insbesondere die CDU-Wähler. Daraufhin sei Schulz umgeschwenkt und habe der FDP Avancen gemacht, sagt Niedermayer.

Hätte die SPD die Saarland-Wahl für sich entschieden, wäre sie um die Machtoption Rot-Rot-Grün unter Schulz reicher gewesen. So aber verpasste ihr der Wähler den Denkzettel, eben nicht aufs linke Lager zu setzen. Damit war dann auch die Alles-ist-möglich-Stimmung in der SPD ausgebremst, was dem Hype um Schulz einen kräftigen Dämpfer versetzt hat.

Noch offen ist, wie kompetent sich Schulz in politischen Sachfragen erweist. Bislang hält er mit seinen inhaltlichen Positionen hinter dem Berg. Die Zurückhaltung ist Teil der SPD-Strategie. Erst nach der NRW-Landtagswahl wollen die Sozialdemokraten in die breitere Beratung ihres Programms einsteigen. Ende Juni soll es bei einem Parteitag beschlossen werden.

Wenn sich Schulz allgemein zu fachpolitischen Themen äußert, ging das bisher nicht immer glatt. Wenn er in Talkshows Erklärungen zum Mindestlohn oder auf offener Bühne zu befristeten Jobs sprach, fiel er zum Teil mit fehlender Fachkenntnis auf. Niedermayer hält das für eine Hypothek im Wahlkampf: „Schulz ist kein Innenpolitiker. Er ist in Sachfragen bereits ein paar Mal ins Rudern gekommen“, sagt der Berliner Politikwissenschaftler. „Beim TV-Duell könnte Merkel in dieser Hinsicht im Vorteil sein, die in Sachfragen ja sehr sicher ist.“

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