Petersburger Dialog in Königswinter Die Energiewende ist kein Thema für Russland

Königswinter · Strategisches Gleichgewicht, Nuklearwaffen, INF-Vertrag sowie die Konflikte in der Ukraine und Syrien standen am Freitag im Fokus der russischen und deutschen Arbeitsgruppen auf dem Petersberg. Mit dabei: der Bonner Alexander Graf Lambsdorff.

Für Alexander Graf Lambsdorff ist der Petersburger Dialog vor allem ein Stimmungsbarometer. Er komme immer wieder gern zu dem deutsch-russischen Diskussionsforum, um „Nuancen zu hören, mal zu sehen, ob sich irgendwo etwas bewegt und um gemeinsame Interessen und Themen zu finden, bei denen man ins Gespräch kommen kann“, sagt der Bonner FDP-Bundestagsabgeordnete. Es sei gut, „dass es das Treffen auch in schwierigen Zeiten gibt“. Man müsse miteinander reden – auch wenn es bei dem Gedankenaustausch seit ein paar Jahren eher serielle Monologe gegeben habe als einen richtigen Dialog. Denn sonst verpasse man den Moment, an dem sich etwas ändere. Das Jahr 2014 mit der Annexion der Krim und dem Ausbruch des Konflikts in der Ost-Ukraine sei „ein totaler Einschnitt“ gewesen.

An diesem Freitag diskutiert der FDP-Fraktionsvize in der Arbeitsgruppe Politik im Königswinterer Maritim-Hotel unter anderem über die Themen strategisches Gleichgewicht, Nuklearwaffen, INF-Vertrag sowie die Konflikte in der Ukraine und Syrien. In anderen Salons wird über Kirche und Zivilgesellschaft, Bildung und Wissenschaft oder Kultur gesprochen – acht Foren sind es insgesamt. Die Arbeitsgruppe Zivilgesellschaft liefert am Ende das greifbarste Ergebnis: einen Zehn-Punkte-Plan für Reiseerleichterungen für Jugendliche. Das Papier soll nun den beiden Regierungen übergeben werden, bleibt aber nichtöffentlich, vorerst.

Stimmung besser als vor zwei Jahren

„Die Stimmung war besser als vor zwei Jahren, als ich zuletzt dabei war“, findet Lambsdorff. Damals seien die Aktualität der Krim-Annexion und der Donbas-Konflikt viel stärker spürbar gewesen. Allerdings sagt er auch: „Atmosphärisch war es ein bisschen weniger verkrampft, aber substanziell bleibt es ja, wie es ist, die Krim ist annektiert, die Ost-Ukraine nach wie vor ein Konfliktgebiet.“ Man rede natürlich nicht darüber, die Sanktionen abzuschaffen. Ronald Pofalla, Vorsitzender des Dialogs auf deutscher Seite, spricht sogar vom „bisher besten Jahrestreffen“ in seiner fünfjährigen Amtszeit.

Bedauerlich findet Lambsdorff, dass es keine Arbeitsgruppe zum Thema Terror gegeben habe. Die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus wäre ein „echt verbindendes Thema“ gewesen. Auch so gibt es Verbindendes: wirtschaftliche Interessen etwa. Die Arbeitsgruppen Wirtschaft und Ökologische Modernisierung haben ihre Sitzungen zusammengelegt. Der Grund: der deutsche Ausstieg aus der Kohleverstromung. Russland steht bei der Kohleförderung weltweit auf Platz sechs. Deutschland ist der wichtigste europäische Abnehmer russischer Exportkohle. Auf der kinogroßen Leinwand im Saal erscheinen absteigende Prognosekurven für den Kohleexport. Nächstes Schaubild: der teilweise aus deutscher Produktion stammende Maschinenpark des größten russischen Kohlekonzerns. Die bekannte Rollenteilung, in der die Russen die Rohstoffe liefern und die Deutschen Maschinen und Ausrüstung, scheint in Schieflage zu geraten. Die Deutschen erklären im Gegenzug, wie sie den Kohleausstieg bewältigen wollen.

Die Russen geben sich unbeeindruckt: Bei den Gaslieferungen prognostizieren sie einen Zuwachs der Lieferungen. Ralf Fücks, früherer grüner Umweltsenator in Bremen und nun Vorsitzender der AG Ökologische Modernisierung: „Die Russen erwarten, dass die Deutschen abhängig bleiben von ihren fossilen Energiequellen: wenn nicht Kohle, dann eben Gas.“ Er beklagt sich, dass ein großer Teil der russischen Delegation aus Gazprom-Funktionären besteht.

Die Atmosphäre

Kurz vor der Kaffeepause schauen alle erstaunt nach oben, weil der Delegierte einer unabhängigen Moskauer Forschungseinrichtung die negativen Folgen der Kohleverstromung für Russland schildert, mit Bildern rauchender Schlote und schwarzen Schnees. Auf die offizielle russische Energiepolitik hat das keinen Einfluss: Kohle bleibt für Russland eine billige Energiequelle. Eine Energiewende nach deutschem Vorbild? Viel zu teuer angesichts der heimischen Gas-, Kohle- und Ölvorkommen. Ein russischer Delegierter weist die Deutschen darauf hin, dass ihre Energiewende für das Weltklima unbedeutend sei angesichts dessen, was Chinesen und Inder an Klimagasen in die Luft pusten.

Die Atmosphäre: sachlich, geschäftsmäßig. Das ist auch in der Arbeitsgruppe Politik so. Die russischen Delegierten schildern Moskaus Pläne für eine euroasiatische Wirtschaftszone. Ihr Land sehen sie als Brücke zwischen Europa und China. Nebenbei lassen sie mit Verweis auf zahlreiche Gesprächsebenen durchblicken, dass Russland im Rennen um die Gunst der Chinesen die Nase vorn habe. Für Gernot Erler, langjähriger Russland-Beauftragter der Bundesregierung, kein Grund für Sorgenfalten: Die Russen seien etwas „zu optimistisch“ in Bezug auf die Entwicklung des euroasiatischen Wirtschaftsraums. Insgesamt lobt auch Erler die Gespräche als sachlich und konstruktiv, allerdings auf einem niedrigen Niveau: „Alles, was uns Kummer macht an der russischen Politik, wird abgestritten.“

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