Bundestagswahl 2017 Die AfD triumphiert als drittstärkste Kraft

Berlin · Die AfD kennt nach der Verkündung der ersten Prognosen kein Halten mehr. Mit rund 13 Prozent und fast 90 Abgeordneten werden sie in den neuen Bundestag einziehen.

Es ist der Silvestermoment der AfD. Sie grölen den Countdown, die letzten Sekunden vor 18 Uhr. Dicht gedrängt quetschen sich hunderte Journalisten und AfDler vor die Leinwand, die ihr Schicksal gleich abbilden wird. Fünf, vier, drei, zwei, eins – Applaus. 32 Prozent für die CDU, großes Gelächter, 21 für die SPD, noch mehr Häme. 13 Prozent AfD – die AfDler kennen kein Halten mehr. Alles weitere geht im Jubel unter, ein blauer AfD-Luftballonregen rieselt von der Decke, eine neue Ära beginnt. Die AfD zieht mit einem großen Knall in den Bundestag ein - als drittstärkste Kraft.

Als sich die Jubelnden kurz beruhigen, greift Alexander Gauland zum Mikrophon: „Wir haben es geschafft“, ruft der AfD-Spitzenkandidat, „wir werden das Land verändern!“ Die Meute applaudiert, „AfD – AfD – AfD !“ Die Regierung könne sich warm anziehen, heizt Gauland die Stimmung an, „wir werden Frau Merkel jagen!“ Endlich gebe es wieder eine Oppositionspartei in Deutschland, behauptet Gauland, die Regierung werde man ordentlich vor sich hertreiben. „Aber der Kampf ist noch nicht vorbei“, sagt Gauland und warnt seine Parteikollegen: keine Kommentare, keine Provokationen beim Feiern in der Stadt heute Abend – und auch künftig bitte keine Sprüche, die der Partei auf die Füße fallen könnten.

Auch Beatrix von Storch, die nach ihm redet, ruft beinahe schon eindringlich zu Gelassenheit auf. Die AfD trage jetzt eine große Verantwortung „und der müssen wir klar und sachlich nachkommen“, sagt die AfD-Politikerin. Dennoch wolle man die Debattenkultur im Bundestag wieder ganz neu beleben „und gegen linke Spinner ganz harte Politik betreiben“, verkündet von Storch unter großem Applaus – während sich draußen Gegenprotest sammelt.

Der kleine Club, den die AfD für ihre Wahlparty gemietet hatte, liegt immerhin direkt am Alexanderplatz mit Blick auf den Fernsehturm und ist umringt von Polizeiabsperrungen. Auf der Dachterrasse feiert die AfD, unten pfeifen ihre Gegner. „Rassisten raus aus Deutschland“, lauten die Sprechchöre der rund hundert Demonstranten.

Doch erst mal heißt es für die AfD: rein in den Bundestag, nach ersten Schätzungen mit etwa 88 Abgeordneten. Rund zehn Kandidaten aus NRW werden darunter sein, nach Berlin ist an diesem Abend nur einer der künftigen Abgeordneten gereist, zusammen mit elf Landeskollegen. Die übrigen wollten sich lieber als Wahlbeobachter in den Lokalen umsehen und zu einem Treffen in ihrer Düsseldorfer Parteizentrale treffen.

Stefan Keuter aus Essen, NRW-Listenplatz elf und damit relativ sicher im Bundestag, spricht an diesem Abend in Berlin von einem grandiosen Ergebnis. „Das ist ein Erdrutschsieg“, sagt Keuter und holt sich ein Bier. Das Ergebnis habe ihn aber nicht überrascht, „das ist genau die Stimmung gegen Merkel, die wir auf den Straßen erlebt haben, das spiegelt sich jetzt wider“.

Tatsächlich geht nach ersten Hochrechnungen ein Großteil der Stimmen für die AfD zu Lasten der Union: Mehr als eine Million Wähler sind demnach von CDU und CSU zur AfD gewandert, die SPD hat rund 470.000 Wähler an die Rechts-Partei verloren, die Linke 400.000. Die meisten Stimmen habe die AfD aber mit 1,2 Millionen von bisherigen Nichtwählern erhalten. Im Osten Deutschlands ist sie gar zweitstärkste Kraft nach der Union.

Mit den ersten Prognosen des Wahlabends bleibt aber auch noch vieles ungeklärt: Wer übernimmt den Fraktionsvorsitz im Bundestag? Welche Strömungen der AfD werden die Oberhand haben? Und wie positioniert sich Parteichefin Frauke Petry? In Berlin wurde sie jedenfalls nicht gesehen und twitterte lediglich ein Zitat von Ghandi: "Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du."

Aktuelle Informationen und Hintergründe zur Bundestagswahl gibt es in unserem Thema.

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