"Pegida" De Maizière hört die Sorgen der Bürger

KÖLN · Seit Oktober demonstrieren in Dresden Menschen gegen eine angebliche Islamisierung des Abendlandes. Zunächst waren es mehrere Hundert, dann mehrere Tausend - am vorigen Montag kamen bereits Zehntausend in der sächsischen Metropole zusammen.

Ähnliche, aber weit kleinere Aufzüge gab es in anderen deutschen Städten. Für die Innenminister von Bund und Ländern ist es derzeit das Thema mit der größten Sprengkraft in Deutschland. Steht doch dahinter die Sorge vor einer unterschwelligen rechtsextremistischen Stimmung in Deutschland, wie es NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Freitag sagte.

Er und seine Amtskollegen stellten die Frage, wie die Politik auf das Aufkommen dieser Bewegung reagieren sollte, somit in den Mittelpunkt ihrer Beratungen gestern und vorgestern im Kölner Hyatt-Hotel.

Dabei bemühten sich die 17 Ressortchefs durchaus um Differenzierung. Jäger hatte schon am Donnerstag über die Organisatoren der Veranstaltungen gesagt: "Das sind Neonazis in Nadelstreifen. Ich finde, man darf da nichts beschönigen." Ähnlich scharf äußerte sich gestern sein niedersächsischer Amtskollege Boris Pistorius (SPD).

"Schäbig und menschenverachtend" sei, wie die selbst ernannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes ("Pegida")" aufträten. Für Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) steht den Organisatoren der Ausdruck "Patriotische Europäer" gar nicht zu. "So wie wir hier stehen, sind wir patriotische Europäer", meinte de Maizière im Blick auf seine Amtskollegen aus Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, "wir lassen nicht zu, dass dieser wertvolle Name missbraucht wird."

Der Bundesinnenminister, geboren in Bonn, seit vielen Jahren aber schon in Dresden zu Hause, wollte nicht den Stab über die Tausenden von Menschen brechen, die Sorgen im Blick auf die "Herausforderungen dieser Zeit" hätten. Diese Menschen hätten Fragen, die die Politik ernst nehmen müsse. Als hätte er sich mit ihnen auf der Straße unterhalten, legte de Maizière einen Fragenkatalog vor: "Wie viele Jahre soll das noch so bleiben, dass 200 000 Asylbewerber pro Jahr kommen, und was heißt das für unser Land? Sind unter den Asylbewerbern auch Terroristen, und müssen wir davor Sorge haben? Ist die Kriminalität bei Asylbewerbern höher als in der übrigen Bevölkerung?

Was heißt das für meinen kleinen Sohn, der in der dritten/vierten Klasse ist, wenn plötzlich fünf Asylbewerber in die Klasse kommen, die bisher weder Deutsch noch überhaupt Lesen und Schreiben können? Was heißt das für den Lernfortschritt meines Sohnes?"

De Maizière hält diese für "berechtigte Fragen, denen wir uns aber nicht wegen Pegida", sondern unseretwegen annehmen müssen. Weil wir wollen, dass die Integration der Flüchtlinge gelingt, weil wir eine gute Schulversorgung wollen und weil wir eine kluge Wohnungsbaupolitik machen wollen, so dass keine Ghettos entstehen." Wissen müssten die sorgenvollen Bürger aber, dass Deutschland ein weltoffenes Land bleibe und all jene aufnehme, die politisch verfolgt würden. Von einer Islamisierung könne zudem nun wirklich keine Rede sein.

Der neuen Formation "Hooligans gegen Salafisten" wollen die Minister mit Hilfe der Wissenschaft begegnen. "Wir müssen mehr über dieses unheilvolle Bündnis aus Hooligans, Rechtsextremisten und kriminellen Schlägern wissen, um zielgerichtet und punktgenau vorgehen zu können", sagte Jäger.

Und wie betrachten die Minister das wachsende Problem der Dschihadisten? Deren Propaganda wollten sie "mit einem aufklärenden Internetangebot entgegentreten", wie Jäger sagte. De Maizière würde dafür am liebsten genau jene gewinnen, die den größten Einfluss auf junge Menschen haben, die abzugleiten drohen: "Die Geschichten im Internet dürfen nicht nur von denen erzählt werden, die sich ihrer Gewalttaten brüsten, sondern müssen auch von den Theologen erzählt werden, die von dem Missbrauch der Religion durch Isis sprechen und von jenen kampferprobten Dschihadisten, die frustriert zurückgekehrt sind." Das Motto heißt also: Gute Vorbilder gesucht.

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