GA-Interview mit Eveline Lemke "Das sind ganz deutlich Signale gegen Schwarz-Grün"

BONN · Die rheinland-pfälzische Grünen-Spitzenkandidatin Eveline Lemke spricht im Interview des General-Anzeigers über die CDU, die Wirtschaftsentwicklung im Land, die Flüchtlinge und den Nürburgring.

Bei acht Prozent stehen die rheinland-pfälzischen Grünen in der jüngsten SWR-Umfrage. Zweistellig würden sie gern werden. Die anderen Parteien: CDU 37, SPD 31, AfD neun, FDP sechs und Linke vier Prozent. Mit der Grünen-Spitzenkandidatin und Wirtschaftsministerin Eveline Lemke sprach Bernd Eyermann.

Braucht eine Wirtschaftsministerin den Rückhalt der Wirtschaft?
Eveline Lemke: Eine Wirtschaftsministerin muss die politischen Rahmenbedingungen so gestalten, dass man am Ende sagen kann, die Zahlen stimmen. Und ich kann sagen: Die Zahlen in unserem Land stimmen tatsächlich. Rheinland-Pfalz steht wirtschaftlich hervorragend da.

Welche Zahlen würden Sie da nennen?
Lemke: Wir haben quasi Vollbeschäftigung erreicht, wir haben in dieser Legislaturperiode 60.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, wir haben – zusammen mit der Wirtschaft – eine Innovationsstrategie und einen Industrie-Dialog entwickelt und auch unsere Förderinstrumente nach diesen Linien ausgerichtet.

Aus den IHKs ist zuweilen zu hören, dass die Konjunktur im Land trotz und nicht wegen der Wirtschaftspolitik gut läuft. Was sagen Sie jenen?
Lemke: Wären die Zahlen schlecht gewesen, hätte man gesagt, es läuft schlecht wegen der Wirtschaftsministerin. Das wird also gedreht und gewendet, wie es passt. Für mich gilt: Wir haben eine hervorragende Bilanz fürs Land, können auch im Bundesländervergleich sehr zufrieden sein, haben die höchste Exportquote, die Rheinland-Pfalz je hatte, punkten mit Wissen und Innovation und unsere Hochschulen bringen starke Leistungen. Das ist der beste Weg, um gut aufgestellt zu sein. Das bestätigen auch Umfragen der Kammern und Unternehmerverbände.

Trotzdem reicht es nach den Umfragen nicht mehr für SPD und Grüne. Glauben Sie noch an eine Zukunft für die Koalition?
Lemke: Selbstverständlich. Warum sollte ich nicht mehr an Rot-Grün glauben?

Mit rund 40 Prozent wird man keine Regierung stellen können.
Lemke: Umfragen sind keine Wahlen und zusammengezählt wird am 13. März, dem Wahltag.

Schwarz-Grün?
Lemke: Wenn ich sehe, dass Michael Fuchs, der für die Förderung der Atomenergie bekannt ist, genauso in Julia Klöckners Schattenkabinett ist wie Herr zu Guttenberg, der den Wald als puren Rohstoff sieht, gegen nachhaltige Forstbewirtschaftung ist und für den neuen Nationalpark kein Geld geben will, dann fehlt mir die Fantasie, mit der CDU zusammenzuarbeiten.

Sind diese beiden Nominierungen Signale gegen Schwarz-Grün?
Lemke: Das sind ganz deutlich Signale gegen Schwarz-Grün, weil es an diesen Stellen keine politischen Schnittmengen gibt.

Heißt: Wenn Fuchs und zu Guttenberg nicht Minister werden, dann würden Sie vielleicht über Schwarz-Grün nachdenken?
Lemke: Frau Klöckner hat die beiden ja in ihr Schattenkabinett geholt, weil das offensichtlich auch ihrer eigenen politischen Haltung entspricht. Unsere politischen Ziele sind entgegengesetzt: Ich kämpfe zum Beispiel für die kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni, für 1000 neue Lehrer, dass die Ausbildung zum Meister auch kostenfrei sein wird und für ein Gesellschaftsbild, das alle mitnimmt. Wir haben bei der Polizei 350 neue Stellen aufgestockt. Das wird weitergehen, weil die Sicherheit im öffentlichen Raum eine sehr wichtige Aufgabe ist.

Wenn Sie an die fünf Jahre als Wirtschaftsministerin denken. Worauf sind Sie besonders stolz?
Lemke: Dass wir gezeigt haben: Wir sind ein wirtschaftsstarker Industriestandort und können gleichzeitig Klimaschutz, Artenschutz und Naturschutz betreiben. Ökonomie und Ökologie gehören zusammen.

Vor fünf Jahren haben Sie das Ziel genannt, dass bis 2030 der ganze Strombedarf des Landes aus erneuerbaren Energien kommen soll. Wie sind Sie vorangekommen?
Lemke: 38 Prozent des in Rheinland-Pfalz erzeugten Stroms kommen aus erneuerbaren Quellen. Das ist doppelt so viel wie 2011 – wir waren schneller, als wir gehofft hatten. Dass die Bundesregierung die Einspeisevergütungen für Fotovoltaikanlagen verringert hat und den in den Industrieunternehmen für den eigenen Gebrauch produzierten Strom künftig mit der EEG-Umlage belasten will, das halten wir für kontraproduktiv. Was vor Ort an Strom erzeugt und dann verbraucht wird, spart den Unternehmen Kosten, aber der Eigenstrom entlastet auch die Netze, die Netzkostenumlage und damit auch die Verbraucher allgemein.

In Rheinland-Pfalz stehen 1500 Windräder. Es gab viele Widerstände gegen die „Verspargelung der Landschaft“, wie es heißt. Auch aus Naturschutzverbänden heraus. Haben Sie damit gerechnet?
Lemke: Zunächst: 85 Prozent der Bürger unterstützen den Ausbau der Windenergie. Aber klar: solche Anlagen sind raumgreifende Elemente. Das haben wir nie verschwiegen. Deshalb haben wir besonders schützenswerte Gebiete ausgenommen, zum Beispiel das Mittelrheintal oder den größten Teil des Pfälzer Waldes und andere geschützte Natur- und Kulturräume. Es ist einfach so: Wenn wir aus Kohle und Atomkraft raus wollen, muss die Energie irgendwie produziert werden. Windkraft ist für Rheinland-Pfalz die kostengünstigste Lösung. Die Wertschöpfung bleibt im Land, statt dass wir Milliarden für russisches Öl und Gas bezahlen. Das macht einfach Sinn.

Das Thema Flüchtlinge spielt im Wahlkampf eine große Rolle. Worauf legen Sie besonderen Wert?
Lemke: Dass sich die Flüchtlinge schnell integrieren können, unsere Kultur und die Verfassung kennenlernen: Dass sie wissen, was hier erlaubt und üblich ist und was nicht. Dafür müssen sie jedoch auch die Möglichkeiten erhalten, über Sprach- und Integrationskurse. Deswegen sagen wir: Wir brauchen ein Recht auf Integration. Das ist ein Geben und Nehmen. Das ist nicht ohne Geld vom Bund möglich. Wir brauchen allein dafür 300 Millionen Euro pro Jahr.

Müssen wie in NRW auch in Rheinland-Pfalz bald Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht werden?
Lemke: Nein. Wir haben in Rheinland-Pfalz andere Möglichkeiten gefunden und das wird uns auch weiter gelingen. Wir haben zum Beispiel gemeinsam mit dem Handwerk Holzcontainer entwickelt und am Flughafen Hahn aufgestellt. Die Konzeption ist frei zum Download abrufbar. Es können sich regionale Handwerkerbündnisse zusammenschließen und die Container nachbauen. Unsere Kinder im Land müssen weiterhin wie gewohnt Sport machen können, das öffentliche Leben muss in gewohnter Form weitergehen. Dafür arbeiten wir hart.

2011 haben Sie den Bau der Mittelrheinbrücke verhindern können. Kämpfen Sie weiter dagegen?
Lemke: Einen großen Kampf braucht es da hoffentlich nicht mehr.

Sind Sie denn weiter gegen die Brücke in der Nähe der Loreley?
Lemke: Es soll mir mal jemand erklären, wie man diese Brücke finanzieren und erhalten will und wie sie mit dem Unesco-Welterbe verträglich wäre. Beim Straßenbau gilt für uns generell die Maxime: Erhalt vor Neubau.

Wenn die Finanzierung gesichert ist und die Unesco mitmacht…
Lemke: Das habe ich bisher zu keinem Zeitpunkt irgendwo erkennen können.

Vor fünf Jahren war der Nürburgring das große landespolitische Thema. Ist nach dem Verkauf aus Ihrer Sicht wieder alles in Butter?
Lemke: Die Zahlen des vorigen Jahres sind zufriedenstellend, das Geschäft läuft, der Mythos Nürburgring ist nicht den Bach runtergegangen und im vergangenen Jahr waren 650 000 Motorsportfans dort. Wir hatten vorher dort oben ein Fass ohne Boden für den Steuerzahler, jetzt ist dort – gerade auch dank der grünen Regierungsbeteiligung – ein Boden reingezogen.

Was sagen Sie zur Kündigung von Geschäftsführer Carsten Schumacher?
Lemke: Personalentscheidungen von privaten Unternehmen kommentieren wir grundsätzlich nicht.

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