Über Humanisten und Demokratiebeweger Das sind die kleinen Parteien bei der Bundestagswahl

Bonn · Die kleinen Parteien probieren es bei der Bundestagswahl mit neuen Konzepten. Ein Einblick in die Welt jenseits der Fünf-Prozent-Hürde.

Philipp Schaub hat die Seiten gewechselt. 2013 bei der Bundestagswahl war er noch ausschließlich Wähler und hatte keine Idee, für wen er sich entscheiden sollte: „Die FDP war mir mit ihrem Turbokapitalismus zu asozial, bei den Linken gibt es mir bis heute zu viele Altkommunisten und die Vorschläge der Grünen waren mir zu utopisch.“ Der gebürtige Kölner, der heute in Bonn lebt und arbeitet, entschied sich für etwas Neues. 2015 trat er der Partei „Die Humanisten“ bei. Ein Jahr später gründete er den Landesverband Nordrhein-Westfalen und ist heute dessen Vorsitzender. Damit ist er Mitglied einer von 17 kleineren Parteien, die in NRW neben den sechs aussichtsreichen Bewerbern CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke und AfD gewählt werden können.

Die Kernthemen der Humanisten: Wissenschaft, Bildung sowie die Trennung von Kirche und Staat. „Wir haben uns der Aufklärung verschrieben. Das heißt aber nicht automatisch, dass wir Atheisten sind“, erklärt Schaub. Es gehe vielmehr darum, die Rechte der Kirchen zu begrenzen: „Es kann nicht sein, dass der Staat Milliardenaufträge fast ausschließlich an kirchliche Institutionen vergibt, die bei der Bewerbung alle Nicht-Christen diskriminieren und die ihren Mitarbeitern essenzielle Arbeitnehmerrechte wie das Gründen von Betriebsräten oder das Streikrecht vorenthalten“, sagt der 30-Jährige.

In diesen Betrieben sei Homosexualität auch im 21. Jahrhundert noch ein Kündigungsgrund, genau wie die Wiederheirat nach einer Scheidung. Wissenschaft sollte in Politik und Gesellschaft einen höheren Stellenwert erhalten, empfiehlt der gelernte Laborassistent. So sei die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens notwendig, da künftig immer mehr Jobs wegfielen. Schaub spricht sich jedoch für eine schrittweise, evaluierte Einführung mit vorherigen Testläufen aus, um Fehler zu vermeiden.

Evaluation spielt auch für die Partei „Demokratie in Bewegung“ eine zentrale Rolle. Julia Beerhold – eigentlich TV-Schauspielerin und Sängerin aus Köln, heute Bundesvorsitzende – will mit ihrem Programm der Politikverdrossenheit entgegenwirken. „Viele haben das Gefühl, kaum Einfluss zu haben und wenden sich deshalb ab“, beschreibt die gebürtige Düsseldorferin das Problem.

Ihre Lösung: eine Partei, die für Basisdemokratie, Transparenz und die Entflechtung von Politik und Wirtschaft steht. Gerade die enge Verquickung von politischen Entscheidungsträgern und Konzernen sei „eine Gefahr für die Demokratie“. Beerhold macht sich aus diesem Grund für die Einführung eines Lobbyregisters stark.

Am weitesten weg von der AfD

Ansonsten solle die Partei alle Themen diskutieren, die ihre Mitglieder beschäftigen. Es gehe darum, eine neue Form des Dialogs zu schaffen. „Wir wollen allen deutlich machen: 'Dein Wissen wird gebraucht!' Wir wollen Inhalte erarbeiten, für die wir gemeinsam stehen“, erklärt Beerhold. Was sie besonders freut: ihre Partei sei beim Wahl-O-Mat am weitesten weg von den Inhalten der AfD.

Das gilt für die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) sowieso. Regelmäßig kritisiert die Partei die AfD bei Kundgebungen als Wegbereiter des Faschismus. „Ich würde uns als radikal links, nicht jedoch als linksextremistisch bezeichnen“, erläutert Ernst Herbert, MLPD-Direktkandidat für den Wahlkreis Köln IV und Leverkusen.

"Diktatur über unsere Gesellschaft“

Neben dem Kampf gegen rechten Faschismus gehe es ihm um die Auseinandersetzung über eine gesellschaftliche Alternative zum Kapitalismus: „In Deutschland ist der Anti-Kommunismus ja schon fast eine Staatsreligion“, ärgert sich Herbert. Dabei zeige zum Beispiel der Diesel-Skandal, dass es vonseiten der Wirtschaft bereits „eine Diktatur über unsere Gesellschaft“ gibt. Eigentlich müssten die Autokonzerne nach Kartellrecht bestraft werden und zehn Prozent ihres Umsatzes an den Staat zahlen. De facto passiere aber nichts. Die Umweltzerstörung sei so nicht aufzuhalten. Weitere Kernthemen seien zudem die Flüchtlingsfrage und Asylpolitik. Zwar gebe es Ähnlichkeiten zum Programm der Linken, eine Fusion komme allerdings nicht infrage.

Die Linke setze sich für einen „gezähmten Kapitalismus“ ein, erklärt Herbert. Um gegen das System anzukommen, brauche es jedoch „echten Sozialismus“. Ihm sei bewusst, dass ein Einzug ins Parlament kaum zu schaffen ist – 2013 erhielt die Partei 0,1 Prozent –, doch jede Stimme zähle und sei ein Signal, dass sich grundsätzlich etwas ändern müsse.

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