Streitfall zwischen Union und SPD Das sagen Befürworter und Kritiker zur Bürgerversicherung

Frankfurt · Geht es nach der SPD, soll das derzeitige Modell mit gesetzlicher und privater Krankenversicherung bald Geschichte sein. Dagegen regt sich jedoch Widerstand. Die verschiedenen Positionen zur Bürgerversicherung im Überblick.

 Privat oder Gesetzlich? Die SPD will, dass diese Frage beim Arzt der Vergangenheit angehört.

Privat oder Gesetzlich? Die SPD will, dass diese Frage beim Arzt der Vergangenheit angehört.

Foto: dpa

Die Idee einer Bürgerversicherung gehört zu den Streitpunkten, über die sich SPD und Union einigen müssen, wenn sie in einer künftigen Bundesregierung zusammenarbeiten wollen. Fragen und Antworten.

Was ist eine Bürgerversicherung?

Grundsätzlich geht es bei einer Bürgerversicherung darum, dass ausnahmslos alle Menschen im Land Beiträge in die Bürger-Krankenversicherung einzahlen. Die Beiträge allerdings unterscheiden sich je nach Höhe des Einkommens. Geringverdienende zahlen also deutlich weniger, Großverdiener leisten höhere Beiträge. Im Versicherungsfall aber können alle die gleichen Leistungen in Anspruch nehmen. Letztlich bedeutet eine derart alle Bürger einschließende Bürgerversicherung – die deswegen auch Volksversicherung genannt wird – dass das bisher geltende duale System in Deutschland aufgehoben würde. Denn bislang gibt es ein Nebeneinander zwischen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen.

Was verstehen die Parteien konkret darunter?

Die Grünen gehen noch einen Schritt weiter: Neben Arbeitseinkommen und Renten sollen auch Kapitaleinkommen wie Aktiengewinne, Zinsen oder Mieteinnahmen in die Berechnung des Beitragssatzes eingehen.

Auch die Linken wollen Gewinne und Kapitalerträge für den Beitragssatz mitveranschlagen. Zudem soll die Beitragsbemessungsgrenze erst angehoben und letztlich ganz abgeschafft werden. Bislang bleibt der Teil des Einkommens, der über dieser Grenze liegt, frei. Er wird nicht für die Berechnung der Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen.

Sollen wirklich alle in der Bürgerversicherung versichert sein?

Nein. Die SPD-Pläne sehen vor, dass alle erstmalig Versicherten und alle bisher gesetzlich Versicherten in die Bürgerversicherung automatisch aufgenommen würden. Dazu sollen auch Beamtinnen und Beamte zählen, für die in der Bürgerversicherung ein beihilfefähiger Tarif geschaffen werden soll. Privatversicherte könnten wählen, ob sie in ihrer privaten Krankenversicherung bleiben oder in die Bürgerversicherung wechseln wollen. Damit wäre beim derzeitigen SPD-Modell also das duale System nicht einfach abgeschafft.

Was sagen die Befürworter einer Bürgerversicherung?

Die Befürworter erwarten von einer Bürgerversicherung grundsätzlich mehr soziale Gerechtigkeit. Denn Besserverdiener würde höhere Beiträge in die Bürgerversicherung einzahlen als Geringverdiener – und dennoch hätten alle den Anspruch auf die gleichen Gesundheitsleistungen. Das Solidarprinzip, so die Befürworter, käme also stärker zum Tragen. Zudem erhoffen sie sich ein Ende der „Zwei-Klassen-Medizin“, bei dem Privatversicherte mitunter schneller Termine etwa bei Fachärzten bekommen als gesetzlich Krankenversicherte. Der Vorteil für Privatversicherten liegt nach Meinung der Befürworter darin, dass das Risiko von Fehl- und Überversorgung wegfiele. Denn Krankenhäuser können von Privatpatienten profitieren, wenn sie bestimmte Therapien anwenden – die nicht immer notwendig sein müssen. Zudem sieht das SPD-Konzept vor, dass Privatversicherte in die Bürgerversicherung wechseln können. Davon könnten etwa ältere Privatversicherte profitieren, weil deren Beitragssätze in der privaten Krankenversicherung im Alter steigen.

Was kritisieren die Gegner?

Die Gegner meinen, dass das allgemeine Leistungsniveau im Gesundheitssystem sinken würde. Die Konkurrenz zwischen privaten und gesetzlichen Krankenkassen führe zu Verbesserungen im Gesundheitssystem – etwa beim Entdecken neuer Therapien und Diagnosen. Sie bezweifeln auch, ob damit soziale Gerechtigkeit gefördert wird. Denn, so das Argument: Es seien nach wie vor Zusatzversicherungen möglich, die dann auch nur Besserverdienende bezahlen könnten. Zudem sagen die Kritiker, dass eine Bürgerversicherung erst wirklich in eine Zwei-Klassen-Medizin führe, weil dann ein „grauer Markt“ entstehen könnte, auf dem sich Gutverdiener gegen Bezahlung Sonderleistungen erkaufen könnten.

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