Interview zum Buch "Inside Islam" Constantin Schreiber warnt vor muslimischen Parallelwelten

Bonn · Der ARD-Journalist Constantin Schreiber war "Inside Islam". Für sein gleichnamiges Buch hörte er den Freitagspredigten in einem Dutzend deutschen Moscheen zu. Und wurde mehrfach Ohrenzeuge einer eindeutigen Ablehnung des Gastlandes und westlichen Lebens.

 Beten im Gewächshaus: Die "Biosphäre", ein tropischer Botanischer Garten in Potsdam, wird bis zum Bau einer geplanten Moschee vorübergehend für das muslimische Freitagsgebet genutzt

Beten im Gewächshaus: Die "Biosphäre", ein tropischer Botanischer Garten in Potsdam, wird bis zum Bau einer geplanten Moschee vorübergehend für das muslimische Freitagsgebet genutzt

Foto: dpa

Herr Schreiber, wie viele Moscheen gibt es eigentlich in Deutschland?

Constantin Schreiber: Die Antwort darauf lautet: Wir wissen es nicht. Religionsfreiheit bedeutet eben auch, dass sich Moscheen nicht anmelden oder registrieren müssen. Die meisten Moscheen in Deutschland sind auch nicht Teil einer Organisation. Als Folge gibt es nur Schätzungen und einzelne Seiten, die Moscheen listen. Diese Erfassungen sind aber kaum überprüfbar und auch nach eigenen Angaben nicht vollständig.

Ist die diffuse Nachrichtenlage über die tatsächliche Anzahl womöglich schon ein Symptom dafür, dass im Verhältnis zwischen dem Islam und der deutschen Öffentlichkeit etwas schiefläuft?

Schreiber: Die fehlende Verlässlichkeit über die Zahl der Moscheen ist eher Ausdruck davon, dass viele muslimische Gemeinden in Deutschland eben nicht organisiert sind. Das sagt erst einmal nichts über das Verhältnis zur deutschen Mehrheitsgesellschaft aus. Es hält eher uns und den Diskussionen den Spiegel vor, denn es zeigt: Wir wissen einfach sehr wenig über die Moscheen in unserem Land, und das macht jede Diskussion sehr schwierig.

Im vergangenen Jahr haben Sie 13 Moscheen besucht und sich dabei auf solche konzentriert, die als gemäßigt gelten. Sie sehen aus wie ein „normaler Deutscher“. War es eigentlich ein Problem für Sie, dort hineinzukommen?

Schreiber: Es war eben schwierig, abseits der Moscheen, die ich im Stadtbild erkennen kann, andere Moscheen zu finden, die sich etwa in normalen Wohngebäuden oder Fabriken befinden. Davon abgesehen war es total o.k., dass ich einfach zu den Freitagspredigten gegangen bin. Ich hatte schon gedacht, dass man mich mal fragen würde, was ich denn dort wolle. Einfach, weil ich aufgrund meines anderen Aussehens aufgefallen sein muss. Tatsächlich bin ich nicht ein einziges Mal angesprochen worden.

Wie hat man Sie empfangen? Wie reagierten die Imame selbst, als sie von Ihrem Vorhaben hörten, ein Buch zu schreiben?

Schreiber: Unterschiedlich. Ich bin stets offen damit umgegangen, dass ich Journalist bin und für ein Buch recherchiere. Diese Ehrlichkeit wirkte häufig recht entwaffnend. Viele hatten damit auch – glaube ich – nicht gerechnet, dass jemand sich einfach in die Predigten setzt, sie vielleicht auch versteht und anschließend darüber diskutieren will. Ein paar Imame wirkten sehr aufgeschlossen. Andere sagten, ich solle einen Termin ausmachen, zu dem es dann aber nicht gekommen ist. Sie zögerten den Termin so lange hinaus, bis es für mein Buch zu spät war. Einer sagte, es sei „verboten“, mit mir zu sprechen.

Wie würden Sie den Duktus der Predigten beschreiben? Erschien Ihnen die Rhetorik religiös-würdevoll oder doch eher agitatorisch?

Schreiber: So klar lässt sich das schwer kategorisieren. Insgesamt waren die arabischen Predigten, in denen ich war, sehr traditionell-konservativ. Das wirkte bisweilen etwas aus der Zeit gefallen – was es sicherlich auch in christlichen Kirchen gibt. Dann aber gab es Ausfälle, etwa wenn gesagt wurde, „Deutschland will dich auslöschen“, oder wenn es klare Missionierungsaufrufe gab. Die türkischen Predigten hatten durchgehend auch politischen Charakter. Am auffälligsten war das am Freitag nach dem Putschversuch in der Türkei. Das war keine Predigt, sondern eine politische Ansprache.

Zu den Inhalten: Sie konstatieren unter anderem, der „Aufruf zur Abgrenzung“ ziehe sich wie ein roter Faden durch die Texte. Das klingt, als regten die Freitagspredigten die Gläubigen nicht zur Integration an, sondern lenkten sie von ihr weg. Können Sie das konkretisieren?

Schreiber: Es wurde zum Beispiel explizit an die Gläubigen gerichtet „Ihr seid eine Diaspora! Wir sind eine Diaspora!“ „Euros“ oder „Jobcenter“ wurden als etwas dargestellt, das hinter der Religion zurückstehen müsse. Nicht das Lernen der deutschen Sprache sei wichtig, sondern die Glaubensfestigkeit der Kinder zu bewahren. Das ist alles nicht illegal, aber es hilft auch nicht unbedingt dabei, wirklich in Deutschland anzukommen.

In Diskussionen mit Ihnen wird gern eingewandt, auch in christlichen Gemeinden würden schließlich zuweilen weltfremde und mitunter fundamentale Botschaften vermittelt. Was sagen Sie dazu?

Schreiber: Das ist sicherlich bisweilen so. Aber die Reaktion, die es bei den meisten von uns auslöst, ist eben genau die: Wir finden das befremdlich und diskutieren ja auch durchaus kritisch darüber. Viele Muslime hinterfragen diese sehr rückwärtsgewandten Predigten nicht in gleicher Weise. Ganz davon abgesehen, dass klar antiintegrative oder sogar antidemokratische Inhalte, wie ich sie in den muslimischen Predigten gehört habe, in Kirchen sicherlich zu einer großen öffentlichen Debatte führen würden. Man stelle sich einmal vor, ein Pastor würde sagen: „Ramadan ist die größte aller Gefahren.“

Nach dem Putsch in der Türkei notierten Sie in einer sunnitisch-türkischen Moschee in Berlin den Satz „O Gott, bewahre unseren Staat und unsere Nation vor jeglichem Bösen“. In einer anderen, einer türkisch-schiitischen Moschee, hieß es: „Ihr könnt nicht sagen: Ich bin zugleich Demokrat und Schiit.“ Spielen die türkischen Moscheen eine besonders extreme Rolle?

Schreiber: Das kann ich so allgemein nicht sagen. Ich kann nur zu den Predigten etwas sagen, in denen ich gewesen bin. Und da war der politische Charakter ohne Weiteres klar erkennbar.

Was sagen Sie zu den Vorwürfen, Ihre Untersuchung sei nicht repräsentativ, Sie hätten erst nicht lange genug nach Positivbeispielen gesucht und später auch noch die falschen Islamwissenschaftler um Interpretation gebeten?

Schreiber: Ich behaupte gar nicht, dass das Buch repräsentativ sei. Im Gegenteil, ich schreibe klar, dass es eine Wiedergabe meines persönlichen Erlebens ist und ich dies nicht auf „die“ Moscheen in Deutschland hochrechne. Gleichzeitig muss ich als Journalist auch nicht gezielt nach positiven Beispielen suchen. Würden wir das bei anderen Themen auch fordern? Man kann keine kritische Reportage über Bahnfahren in Deutschland schreiben, sondern muss auch schöne Zugerlebnisse aufschreiben? Bahnmanager würden sich das wahrscheinlich wünschen, journalistisch ist eine solche Herangehensweise aber sicherlich nicht. Dass man schließlich nicht jeden Experten um Rat fragen kann, liegt auch in der Natur der Sache.

Ihr Buch polarisiert zu Wohlwollen auf der einen und Unterstellung der gezielten spalterischen Absicht auf der anderen Seite. Sie hingegen unterstreichen, unvoreingenommen in das Thema gegangen zu sein....

Schreiber: Das habe ich verschiedentlich klar gemacht, und so war es auch.

Die öffentliche Aufregung spricht dafür, dass Sie einen Finger in eine Wunde gelegt haben. Wie erleben Sie die Debattenkultur? Ist der vielgerühmte kritische und objektive Journalismus in Deutschland ausgerechnet in Bezug auf den Islam unter der Last der politischen Korrektheit verkümmert?

Schreiber: Das sehe ich so nicht, es gibt ja zahlreiche kritische Publikationen, ob als Bücher oder auch in Tages- oder Wochenzeitungen. Gleichzeitig erscheinen auch Artikel oder Schriften, die ein anderes Bild zeichnen. Ich finde, das zeigt eigentlich, wie gut es um das Spektrum der Informationsvielfalt in Deutschland bestellt ist – auch wenn manche das immer wieder anzweifeln. Gleichzeitig ist klar: Der Debattenton wird rauher, immer häufiger werden Grenzen des Anstandes überschritten. Das macht eine sachliche Diskussion bisweilen schwieriger.

Sie selbst haben sich mit einer eigenen deutsch-arabischen Fernsehsendung um die Integration von Migranten bemüht. Woran hapert es Ihrer Einschätzung nach am meisten?

Schreiber: Das lässt sich kaum generalisieren. Ich denke, wir sollten grundsätzlich erkennen, dass eine solch fundamentale Aufgabe wie „Integration“ – wie auch immer man diesen Begriff konkret mit Leben ausfüllt – lange Zeit braucht. Viel länger, als manche denken. Und auch mit hitzigen, teils schmerzhaften Debatten verbunden ist. Von daher sind wir, wenn wir uns die Kontroversen anschauen, vielleicht gar nicht auf einem so schlechten Weg.

Zurück zu den Moscheen: Deren Neubauten polarisieren in deutschen Städten förmlich auf Knopfdruck. Was sagen Sie dazu?

Schreiber: Das Positive an sichtbaren Moscheebauten ist, dass sie klare Ansprechpartner darstellen. Es ist doch für jede Integrationsdebatte schon schwierig, wenn man Moscheegemeinden erst einmal suchen muss, weil man gar nicht weiß, wo sie sind. Gleichzeitig holt es viele Muslime aus einer Parallelwelt unter uns heraus, in der sie sich nicht als Teil unserer Gesellschaft fühlen. Aber gleichzeitig verstehe ich die Debatte um solche Neubauten in Zeiten, in denen etwa christliche Kirchen an vielen Orten leer stehen.

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