Eine von fünf Vorreiter-Städten Bundesregierung möchte kostenlosen Nahverkehr in Bonn

Berlin · Die Bundesregierung schlägt der EU-Kommission vor, kostenlosen öffentlichen Nahverkehr auszuprobieren, um die Autoabgase in bundesdeutschen Städten zu verringern.

Es klingt wie eine Utopie. Hin und wieder debattiert man darüber. Ausprobiert wurde der gebührenfreie Öffentliche Nahverkehr bisher aber kaum. In den ostdeutschen Kleinstädten Templin und Lübben fuhren die Busse zwar mal ohne Tickets, aber die Kommunen stellten das Experiment wieder ein. Jetzt jedoch nennt die Bundesregierung „kostenlosen öffentlichen Nahverkehr“ gegenüber der EU-Kommission offiziell als eine Maßnahme, um die Luftqualität in bundesdeutschen Städten zu verbessern.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU, alle geschäftsführend) schreiben das in ihrem Brief vom 11. Februar an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella. Sie wollen die EU-Kommission damit milde stimmen. Diese erwägt eine Klage am Europäischen Gerichtshof unter anderem gegen Deutschland. Denn in Dutzenden Städten übersteigen die vor allem durch Diesel-Fahrzeuge verursachten Stickoxid-Emissionen die Grenzwerte.

Hendricks war kürzlich in Brüssel, um die Gegenmaßnahmen der Bundesregierung zu erläutern. Acht teilweise „neue“ Maßnahmen werden erwähnt. Neben Nulltarifen im Öffentlichen Nahverkehr sind das „bindende Abgas-Grenzwerte“ für Busse, Taxis, Carsharing-Autos und Lkw. Das entsprechende Gesetz soll schon dieses Jahr in Kraft treten. Weitere Maßnahmen: Fahrbeschränkungen für bestimmte Straßen und Stadtviertel, zusätzliche Anreize für Elektro-Mobilität und „technische Umrüstung“ von Fahrzeugen. In fünf „Vorreiter-Städten“ soll das zuerst eingeführt und demonstriert werden. Diese sind Bonn, Essen, Herrenberg (Baden-Württemberg), Mannheim und Reutlingen.

Zum Nulltarif steht in dem Brief nur ein Satz: „Zusammen mit den Ländern und Gemeinden erwägen wir kostenlosen Öffentlichen Nahverkehr, um die Zahl der Privatfahrzeuge zu verringern.“ Details, Zahlen und Zeitangaben fehlen. Diese wollten die Ministerien am Dienstag auch nicht nennen. Zwei entscheidende Punkte zum Realitätsgehalt des Vorhabens nannte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, dem unter anderem kommunale Betriebe angehören.

Die Firmen würden durchschnittlich über die Hälfte der anfallenden Kosten durch den Verlauf von Tickets für Busse und Bahnen einnehmen, erklärte Vizesprecherin Rahime Algan. Die Summe betrage rund 12 Milliarden Euro jährlich bundesweit. Wenn also durch den Verkauf der Fahrscheine kein Geld hereinkommt, muss irgendwer den Verlust tragen – die jeweilige Stadt, das Land oder der Bund. Der Deutsche Städtetag zeigte sich deshalb überrascht über die Ankündigung der Bundesregierung. Die Idee, Tickets im Nahverkehr günstiger zu machen, gibt es in der Tat in einigen Städten.

„Wenn der Bund jetzt den Vorschlag macht, über solche Wege nachzudenken, erwarten wir eine klare Aussage zur Finanzierung.“ Am Donnerstag kommender Woche verhandelt das Bundesverwaltungsgericht über mögliche Fahrverbote in Städten wegen zu schlechter Luft. Die Initiative der Bundesregierung zielt wohl auch in diese Richtung.

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