Skepsis gegenüber Muslimen Bonner Studie deckt Schwächen der Integrationspolitik auf

Düsseldorf · Vier Wissenschaftler untersuchten mehr als zwei Jahre die Integrationserfahrungen junger und alter Menschen. Laut ihnen gibt es "viele vereinzelte Initiativen ohne Schnittstellen". Währenddessen wächst im Ruhrgebiet die Skepsis gegenüber Muslimen.

Mit seinen Freunden traf sich Erkan Üstünay mangels Alternativen in Parks oder auf Straßen seiner Heimatstadt Duisburg. Der nächsten Generation wollte er diese Erfahrung ersparen. Üstünay gründete einen Jugendtreff, in dem heute täglich bis zu 150 Jugendliche ihre Freizeit verbringen. Sie spielen dort Billard oder Tischfußball, machen Hausaufgaben oder können sich mit ihren Sorgen oder Problemen an Vertrauenspersonen wenden.

Üstünay und sein „Jugendtreff Respekt“ ist eines von zahlreichen Beispielen, die im Rahmen der Studie „Wieviel Islam gehört zu Deutschland?“ der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (Bapp) und der Brost-Stiftung als Beispiele für gelungene Integration untersucht worden sind.

Von Anfang 2015 bis Ende 2017 forschten vier Wissenschaftler der Akademie in Gelsenkirchen, Essen und eben in Duisburg über die Integrationserfahrungen junger und alter Menschen. 79 Interviews führten sie, 17 Integrationsprojekten in den drei Städten begleiteten sie über viele Monate eng.

Viele Initiativen ohne Schnittstelle

Festgestellt haben die Forscher dabei, dass es „viele verinselte Initiativen ohne Schnittstellen zu anderen Projekten gibt“, wie der Bonner Politikwissenschaftler und Projektleiter Volker Kronenberg bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch im NRW-Integrationsministerium sagte. Ein Grund: Das im Ruhrgebiet vielfach anzutreffende Kirchturmdenken, also die wenig ausgeprägte Kooperation über Stadtgrenzen hinweg.

„Noch immer bestehen ähnliche Angebote nebeneinander, ohne dass Synergieeffekte genutzt werden“, heißt es in einem Fazit der Studie. Benötigt werde hingegen eine „stärkere Verzahnung“ der Projekte – auch im Blick darauf, dass Migranten und Mehrheitsgesellschaft besser zusammenkommen. Hier ließen sich Integrationserfolge auch mit relativ geringem Geldeinsatz ermöglichen.

Dass in Sachen Akzeptanz der Zugewanderten noch einiges zu tun ist, zeigt sich auch in den Ergebnissen von zwei Forsa-Umfragen, die im Rahmen der Studie vor der Flüchtlingskrise im Sommer 2015 und danach im Herbst 2017 unter jeweils 1001 Menschen im Ruhrgebiet durchgeführt wurden. So sank die Zustimmung zu der Aussage „Der Islam gehört zu Deutschland“ von 47 Prozent um zehn Punkte auf 37 Prozent. Das Zusammenleben von Muslimen und Deutschen schätzten 49 Prozent der Befragten als „teilweise schwierig“ ein, drei Punkte mehr als 2015. 40 Prozent der Umfrageteilnehmer betrachteten das Zusammenleben als „weitgehend unkompliziert“. Zwei Jahre zuvor waren es noch 46 Prozent.

Die Skepsis wächst

Auch wenn die Skepsis in Teilen der Bevölkerung gegenüber Menschen muslimischen Bekenntnisses zugenommen hat, gibt es laut Bapp-Präsident Bodo Hombach eine „große Bereitschaft für hilfreiches bürgerschaftliches Engagement“. Gerade die Kirchen spielten dabei eine wichtige Rolle. 80 Prozent der Befragten sähen zudem „eine große Notwendigkeit für Integrationsangebote“.

Diese Angebote müssten laut Integrationsstaatssekretärin Serap Güler aber nicht allein darauf angelegt sein, Zuwanderer in Deutschland willkommen zu heißen, sondern sie müssten ihnen die Möglichkeit bieten, dieselben Chancen in Schule, Ausbildung und Beruf zu erlangen wie jungen Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft. Das Motto könnte lauten: Weniger Willkommenskultur, mehr Anerkennungskultur. „Wir müssen uns fragen, warum immer noch so viele Kinder aus Zuwandererfamilien an einer Hauptschule sind oder warum sich Jugendliche mit dem Nachnamen Ahmad viel öfter um eine Stelle bewerben müssen als mit dem Namen Schmitz“, so Güler.

Den öffentlichen Dienst sieht die Staatssekretärin, die selbst aus einer Zuwandererfamilie stammt, in der Pflicht, sich mehr für Migranten zu öffnen. Die Wirtschaft will sie zudem ermuntern, mehr Jugendliche mit Migrationsgeschichte einzustellen. „Viele Betriebe trauen sich da noch nicht“, hat sie festgestellt.

Bapp und Brost-Stiftung wollen an dem Thema dran bleiben, kündigte Hombach an. Vor allem gelte es, „gute Beispiele sichtbar zu machen“. Vielleicht lohnt es sich ja, in – sagen wir mal 10 oder 15 Jahren – nachzuspüren, welche Wege die Jugendlichen aus dem Jugendtreff von Erkan Üstünay genommen haben. Die eine oder andere Aufstiegsgeschichte wird sicher dabei sein.

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