Zivilschutzkonzept in Deutschland Bevölkerung soll auf Ernstfall vorbereitet sein

Berlin · Ein Hackerangriff auf die Rechnerzentrale eines deutschen Stromversorgers, ein Chemiewaffen-Angriff, eine Flut oder ein Erbeben: Die Bundesregierung will auf möglichst viele Katastrophenfälle vorbereitet sein. Das neue Zivilschutzgesetz soll der veränderten Bedrohungslage gerecht werden.

Man stelle sich vor: Elektrögeräte wie Radios, Kühlschränke oder Telefone funktionieren nicht mehr. Das Licht bleibt aus, Straßenbahnen und U-Bahnen bleiben liegen. Auch Naturkatastrophen oder Angriffe von Terroristen können das Land lahm legen. Das Chaos scheint vorprogrammiert.

Nach mehr als 20 Jahren legt die Bundesregierung ein neues Notfallkonzept für Katastrophen und Terroranschläge vor. Darin enthalten: die Versorgung der Bevölkerung im Ernstfall. Das Konzept soll regeln, wie Trinkwasser, Nahrungsmittel, Öl oder Strom verteilt wird oder wie Impfstoffe oder Antibiotika gelagert werden sollen.

Das Kabinett soll nach Angaben des Innenministeriums zeitnah über das Konzept entscheiden. Dies sei seit langem geplant und habe nichts mit aktuellen Terrorgefahren zu tun, so das Innere.

Inhalte und Vorschläge des neuen Konzepts

Das bislang gültige Konzept für "zivile Verteidigung" stammt von 1995. Der 69-seitige Entwurf der Neuauflage enthält unter anderem Regelungen zur Trinkwasserversorgung, die für 14 Tage über den Bau von Brunnen sichergestellt werden soll. Außerdem sollen an 140 Standorten Erdölreserven für 90 Tage gelagert werden.

Weiterhin soll durch das "Gesamtkonzept Notstrom" eine Minimalversorgung an Energie gesichert werden. Derzeit geprüft wird außerdem, ob Vorrat von Schutzanzügen und -masken für biologische, chemische oder nukleare Kampfstoffe angelegt werden soll. Bei einem Angriff oder Anschlag mit sogenannten ABC-Waffen sollen vor Krankenhäusern Dekontaminationsstellen eingerichtet werden. Ein Drittel der Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks soll innerhalb von 24 Stunden einsetzbar sein.

Außerdem enthält das Konzept Vorschläge, wie sich die Bürger selbst auf Notsituationen vorbereiten können. So sollte jeder einen Lebensmittelvorrat für zehn Tage anlegen, Trinkwasser sollte ebenfalls für mehrere Tage auf Vorrat sein. Gleiches gilt für Taschenlampen, Kerzen, warme Decken und Bargeld.

Damit die Bürger im Katastrophenfall besser und schneller informiert werden, sollen die klassischen Informationswege wie Radio, Fernsehen, Sirenen und Lautsprecherdurchsagen durch SMS und Warnungen im Internet ergänzt werden. Apps wie Katwarn oder Nina unterstützen die Verbreitung dieser Warnungen.

Wiederaufleben der Wehrpflicht möglich

Neben den Vorschlägen an die Bevölkerung spielt die Bundesregierung auch Schritte für ein mögliches Wiederaufleben der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht durch. Das geht aus einem Unterpunkt des Konzepts des Innenministeriums hervor, in dem es um zivile „Unterstützung der Streitkräfte“ für den Fall geht, dass Deutschland etwa im Rahmen von Nato-Einsätzen das Bündnisgebiet an dessen Außengrenzen verteidigen muss. Der vertrauliche Entwurf des Konzepts, das am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden soll, liegt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.

Dass die Bundesregierung schon ausführlich über die Wiedereinführung nachgedacht hat zeigt, dass sogar an die notwendigen Unterkünfte gedacht wird. In diesem Falle entstehe ziviler „Unterstützungsbedarf der Bundeswehr bei Heranziehungsorganisation und Unterbringungsinfrastruktur“. Im Klartext: Zivile Firmen müssten wohl im Rahmen der Musterung und dem Bau oder der Instandsetzung von Kasernen beteiligt werden.

In ihrer neuen „Konzeption Zivile Verteidigung“ (KZV) schreiben die Experten, die zivile Seite unterstütze die deutschen Streitkräfte und ihre Verbündeten bei der Herstellung und Aufrechterhaltung der Verteidigungsbereitschaft. Kurzum: Egal ob eine Cyber-Attacke aubgewendet werden, Soldaten beim Erreichen der Einsatzgebiete unterstützt werden oder deren Versorgung gewährleistet werden soll - Im Ernstfall soll das alles durch zivile Unterstützung möglich gemacht werden.

Panikmache oder gerechtfertigtes Konzept?

Während einige Politiker das Konzept als Panikmache verurteilen, verteidigt der CDU-Innenexperte Ansgar Heveling das neue Zivilschutzkonzept. Dem Deutschlandfunk gegenüber sagte er, es sei notwendig, sich "auf mögliche Bedrohungsszenarien" einzustellen. "1995 war das Thema SMS und Internet noch nicht so von Bedeutung“, „Alarmierungsvorgänge“ hätten sich seitdem verändert und seien nun angepasst worden, ergänzt Heveling.

„Wir müssen uns bewusst sein, dass eine so stark vernetzte Gesellschaft wie unsere, wo vieles ganz engmaschig ineinander greift, natürlich auch verwundbar ist“, erklärt der CDU-Innenexperte. Wie man mit Gefahren umgeht, darauf „müsse ein Staat Antworten geben“.

Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger konterte am Dienstag: „Mit der Knarre in der Hand und Dosensuppen im Schrank soll die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet werden. Das ist verantwortungslos.“

Im Netz wird derweil über das Thema heiß diskutiert - und gespottet. Mehr darüber im Artikel "Häme und Spott für #Hamsterkäufe".

(Mit Material von dpa)

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