Hasskommentare in sozialen Netzwerken Bei Beschwerden sind Bonner Richter zuständig

Bonn · Die Anzeigen gegen Hasskommentare in sozialen Netzwerken soll in Zukunft das Bundesamt für Justiz in Bonn bearbeiten. Auch auf das Bonner Amtsgericht kommt wohl viel Arbeit zu.

Was in Berlin als Gesetzentwurf gebilligt wurde, hat massive Auswirkungen auf die Justiz in Bonn: Hier soll das neue Gesetz durchgesetzt werden, denn zuständig für die Beschwerden von Menschen, die Opfer von Hasskommentaren im Netz geworden sind und vergeblich bei den sozialen Netzwerken auf Löschung gedrängt haben, ist das in Bonn ansässige Bundesamt für Justiz (BfJ). Und das Bonner Amtsgericht.

Das Justizministerium hat dem BfJ die Funktion als Verfolgungsbehörde für Verstöße gegen die im neuen Gesetz verankerte Berichtspflicht und das Beschwerdemanagement der sozialen Netzwerke übertragen. Kommen die ihrer Verpflichtung nicht nach, rechtswidrige Inhalte fristgerecht zu löschen, muss das BfJ ein Bugeld verhängen. In diesem Bereich rechnet Heiko Maas mit einer erheblichen Zahl an Anzeigen an das BfJ, da bei den sozialen Netzwerken jährlich mindestens 500 000 Beschwerden wegen Hasskriminalität eingingen, nur ein Bruchteil jedoch gelöscht oder gesperrt werde. Entsprechend können sich nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes Betroffene beim BfJ beschweren.

Doch nach dem Willen des Bundesjustizministers kann das Bundesamt ein entsprechendes Bußgeld nicht eigenmächtig erlassen, wenn es die Beschwerde für gerechtfertigt hält. Sondern es muss jeden einzelnen Fall beim zuständigen Bonner Amtsgericht zur „Vorabentscheidung“ vorlegen. Erst wenn auch ein Richter die Rechtswidrigkeit beziehungsweise Strafbarkeit des Inhalts bejaht, verhängt das BfJ das Bußgeld gegen das soziale Netzwerk.

Sollte das gegen diese Entscheidung Einspruch einlegen, ist erneut ein Bonner Amtsrichter gefragt. Für den hohen Arbeitsaufwand beim Bundesamt für Justiz sollen dort 39,5 Stellen neu geschaffen werden. Wie viele Richter beim Bonner Amtsgericht für diese Zusatzarbeit gebraucht werden, ist völlig unklar. Zwar ist in dem Gesetzentwurf von einem „geringen Erfüllungsaufwand“ die Rede, da von nur 200 Verfahren im Jahr auszugehen sei.

Auf welcher Grundlage diese Zahl berechnet wurde, erschließt sich den Verantwortlichen am Bonner Gericht jedoch nicht. „Mangels verlässlicher Erkenntnisse über die wahre Anzahl der Verfahren ist auch die Zahl der benötigten Richterinnen und Richter nicht abzuschätzen“, erklärt der zurzeit als Behördenleiter amtierende Landgerichtsvizepräsident Markus Weber. Ohnehin herrscht nicht nur in der Bonner Richterschaft Verwunderung darüber, dass das BfJ vor Verhängung eines Bußgelds zwingend eine richterliche Entscheidung herbeiführen muss.

Ein Novum, so heißt es, denn schließlich sei es auch anderen Behörden möglich, im Falle von festgestellter Rechtswidrigkeit zu handeln – auch ohne richterlichen Beschluss. Hinter vorgehaltener Hand nennen Richter den ihrer Meinung nach entscheidenden Grund für die Maßgabe: Die Justiz solle als Filter zwischengeschaltet werden bei der Durchsetzung eines Gesetzes, das erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik so massiv in die Meinungs- und Pressefreiheit eingreife. Denn wenn die Gerichte die Entscheidung treffen müssten, hätten sie den Schwarzen Peter. Und nicht die Politik.

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