Kommentar zur Missbrauchsstudie Armutszeugnis

Meinung | Fulda · Die Missbrauchsstudie, die von der Bischofskonferenz vorgestellt worden ist, sorgt für Wirbel. Bei ihren Präventionsbemühungen kreist die Kirche aber um sich selbst, findet unser Autor.

 Bischöfe warten beim Eröffnungsgottesdienst der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im Dom vor der Sakristei.

Bischöfe warten beim Eröffnungsgottesdienst der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im Dom vor der Sakristei.

Foto: picture alliance/dpa

Es ist ein Armutszeugnis für die katholische Kirche. Noch immer gibt es in ihr Strukturen, die den sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen strukturell begünstigen. So formuliert es die Studie, die die katholische Deutsche Bischofskonferenz am Dienstag in Fulda der Öffentlichkeit vorstellte.

Im Klartext heißt das: Seit die katholischen Bischöfe 2011 im Hohen Dom zu Paderborn vor dem Altar niederknieten und wegen des Missbrauchsskandals mit einem Bußgottesdienst ihre Frühjahrsvollversammlung eröffneten, ist viel zu wenig passiert. Zumal die Dunkelziffer des sexuellen Missbrauchs auch nach der neuen Studie riesig bleibt: Die Ordensgemeinschaften wurden nicht untersucht – wer also zum Beispiel am Bonner Aloysius-Kolleg missbraucht wurde, ist von den Studienautoren gar nicht erst erfasst worden.

Da reicht es nicht aus, wenn der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Marx, nun betont, dass die Kirche vor einem entscheidenden, wichtigen Wendepunkt stehe. Zugegeben, die Kirche hat sich um Prävention bemüht, vielleicht sogar mehr, als manche andere Institution in Deutschland. Aber eine Kirche, die von Wendepunkt zu Wendepunkt segelt, kreist am Ende eben doch vorzugsweise um sich selbst.

Wichtiger wäre nun ein Kurs mit voller Kraft voraus – auf die Opfer hin, die künftig statt des Selbstschutzes der Institution im Mittelpunkt stehen müssen. Dazu zählt, dass Bischöfe, Generalvikare und Priester hervortreten und sagen: „Ja, ich habe einen Fehler gemacht – ich habe durch mein Verhalten Täter geschützt.“ Und gegebenenfalls auch personelle Konsequenzen ziehen, die bis hin zum Rücktritt reichen können.

Dazu zählt aber auch, dass die Opfer bei der Aufarbeitung an Bord geholt werden. Damit das gelingt, muss das bisherige System der Anerkennungsleistungen über Bord geworfen werden: Denn wenn die Kirche selbst durch ihre Strukturen eine Mitschuld am Missbrauch trägt, kann nur noch die Rede von Entschädigungen sein. Und angesichts der Finanzkraft der meisten deutschen Diözesen dürfen diese ruhig etwas großzügiger ausfallen.

Vor der Kirche liegt noch jede Menge Arbeit

Noch wichtiger freilich ist die Diskussion zum Umgang mit der Homosexualität und dem Zölibat. Denn eines ist nach dieser Studie klar: Die Opfer der Verbrecher im Kirchendienst waren meistens Knaben, rund ein Drittel der Täter hatte pädophile Neigungen. „Das komplexe Zusammenspiel von sexueller Unreife und abgewehrten und verleugneten homosexuellen Neigungen in einer ambivalenten, teilweise auch offen homophoben Umgebung können eine Erklärung für das Überwiegen männlicher Betroffener beim sexuellen Missbrauch durch katholische Kleriker bieten“, schreiben die Studienmacher. Vor der katholischen Kirche liegt deswegen noch jede Menge Arbeit.

Wichtig wäre es, falsche Hierarchien abzuschaffen. Und auch die geistige, geistliche und lebenspraktische Reife ihrer Priesteramtskandidaten sollte stärker in den Blick geraten. Vor allem aber braucht es Transparenz und Offenheit sowie die Fähigkeit zur Selbstkritik, will man verhindern, dass der innere Zustand der Kirche eine dauerhafte Einladung an Missbrauchstäter bleibt.

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