Geburtstag der Bundeskanzlerin Angela Merkel wird 65 Jahre alt

Berlin · Bundeskanzlerin Angela Merkel wird 65 Jahre. Nach wiederholten Zitteranfällen bei öffentlichen Auftritten wird der Geburtstag von Spekulationen über ihre Gesundheit überschattet.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt zur Premiere der Richard-Wagner-Festspiele.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt zur Premiere der Richard-Wagner-Festspiele.

Foto: Matthias Balk

Es ist einer ihrer lakonischen Sätze, diese einfache Antwort ohne Schnörkel. Was soll sie schon groß dazu sagen, ist der Subtext ihrer Reaktion auf die Frage nach der Bedeutung ihres 65. Geburtstags. Ihr ist schon klar, dass die Weltöffentlichkeit jetzt kein Kaffeekränzchen erwartet, sondern wissen will, wie es um ihre Gesundheit steht. So liefert sie die gänzlich unbestreitbare Erkenntnis: „Das bedeutet eben, dass man nicht jünger wird.“ So wie sie einst auf die Frage, ob ihr der Abschied von Barack Obama als US-Präsident schwer falle, antwortete: „Demokratie lebt vom Wechsel.“

Angela Merkel sagt über ihren wohl einzigen wirklichen außenpolitischen Freund nicht: „Ich werde ihn vermissen.“ Oder über ihren Gemütszustand: „Mit 65 Jahren habe ich alles erreicht, wovon ich kaum zu träumen wagte.“ Und natürlich erst recht nicht: „Ich bin erschöpft. Mein größter Wunsch ist mehr Zeit für mich.“ Aber wenn die zu exzessiver Sachlichkeit neigende Merkel zum Besten gibt, dass man eben nicht jünger wird, darf man das als Bekenntnis verstehen, dass die körperlichen Kräfte nachlassen. Haben ja ohnehin schon alle gesehen. Das bedeutet eben nur nicht, dass sie im Kopf abbaut.

Die märchenhafte Karriere der Physikerin aus der DDR, die die Welt eroberte, ist das eine. Der Preis für die vielen harten Jahren an der Spitze des Landes, mit der schwerwiegenden Verantwortung für 82 Millionen Menschen und den Ansprüchen anderer Staaten das andere. Man braucht kein Mitleid mit Merkel zu haben. Sie hat dieses Leben gewollt, ihr Lohn ist die Macht. Aber Verständnis wäre wohl ein Geschenk zum Geburtstag.

Man könnte einmal die eigenen vergangenen 14 Jahre auf gesundheitliche Einbußen überprüfen. Auch ohne regelmäßigen Schlafentzug, Dauerbeschallung, Kritik und Hass und ohne den Tod beider Elternteile dürfte da die eine oder andere – vermeintliche – Schwäche gewesen sein. Nur interessiert das eben nicht die Welt. Es ist Privatsache. Arbeitgeber respektieren das. Und viele dürften schon erlebt haben, wie das ist, wenn man allem Vorrang einräumt. Nur nicht sich selbst. Man weiß, dass sich das irgendwann rächt.

Merkel arbeitet an würdevollem Abschied

Merkel ist eine Person der Zeitgeschichte. Ihre Gesundheit ist im öffentlichen Interesse. Wenn sie aber je etwas abgeschottet hat, dann ist es ihr Privatleben. Ihren Mann, ihre Geschwister, ihre Familie. Ihre Gefühle. Sie ist so oft allein auf Auslandsreisen gewesen, dass sie einmal beim Aussteigen aus ihrer Limousine vor dem Weißen Haus ihren ausnahmsweise mitreisenden Ehemann Joachim Sauer beinahe vergessen hätte. Der öffentlichkeitsscheue Quantenchemiker gilt als internationale Koryphäe seines Fachs. Das sowie seine mit Merkel geteilte Liebe zur Oper und zu den Bergen ist schon fast alles, was man über ihn und die Ehe weiß.

Es dauert nicht mehr lange, dann ist sie länger als Konrad Adenauer im Amt, der erste Kanzler der Bundesrepublik. 14 Jahre und einen Monat regierte er die Bundesrepublik. Zum Ende des Jahres könnte Merkel ihn einholen. Bliebe noch Helmut Kohl mit seinen 16 Regierungsjahren.

Aber Merkel arbeitet schon lange an einem möglichst würdevollen Abschied aus dem Kanzleramt, der sich nicht an dem Superlativ der Amtsdauer ausrichtet. Sie hat im vorigen Jahr erklärt, dass sie 2021 aufhört. Spätestens. Böte sich früher eine gute Gelegenheit – Merkel würde sie ergreifen. Erst recht nach den jüngst sporadisch aufgetretenen körperlichen Einschränkungen.

Seit 1990 hat die Christdemokratin mit außergewöhnlichen Teflon-Fähigkeiten ihre Widersacher im In- und Ausland bezwungen: Sie ließ Kritik abperlen und wartete beherrscht auf den richtigen Augenblick zum Gegenschlag. Sie ist eine Frau ohne Skandale, ohne Gier nach Geld. Ihr Wochenendhaus in der Uckermark hat Fenster aus Panzerglas, weil es die Sicherheitsvorschriften erfordern. Größer ist das Häuschen nicht geworden.

Ihr Eintrag ins Geschichtsbuch steht unabhängig von ihren eigenen politischen Krisen und Fehlern schon lange fest. Und wie bei ihren Vorgängern im Kanzleramt wird später in erster Linie einmal nachhallen, was die Welt verändert hat: Konrad Adenauers Westbindung, Willy Brandts Ostpolitik, Helmut Schmidts Konsequenz gegen die RAF-Terroristen, Helmut Kohls deutsche Einheit, Gerhard Schröders harte Sozialreformen. Angela Merkels Flüchtlingspolitik.

Merkel als letzte Führerin der freien Welt

Sie hat dem Land viel abverlangt und die Integration muslimischer Migranten ist eine Generationen-Aufgabe. Vermutlich wird im selben Atemzug genannt werden, dass damit der Rechtsextremismus in Deutschland besorgniserregende Ausmaße angenommen hat, weil der Staat zum einen Verstöße der Flüchtlinge gegen deutsche Werte nicht konsequent ahndete und zum anderen Rechtsextreme sogar in den eigenen Reihen beherbergte.

Es wird aber auch erwähnt werden, wie US-Medien Merkel als letzte Führerin der freien Welt bezeichneten, weil sie in Zeiten eines US-Präsidenten Donald Trump mehr als andere auf internationaler Bühne für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit eintrat.

Sollte Merkel am Mittwoch neben dem Rücktritt von Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin und den Veränderungen ihres Kabinetts und der miesen Stimmung in der Koalition noch Zeit zum Innehalten haben, könnte der zweite Teil ihrer Antwort auf die Frage in der vorigen Woche nach der Bedeutung ihres 65. Geburtstags nachwirken. Man werde eben nicht jünger. „Aber erfahrener vielleicht. Alles hat seine gute Seite.“

In der CDU, in der so manche Mitglieder bis heute mit Merkel fremdeln – und umgekehrt – heißt es, auf der einen Seite sei sie eine „Machtmaschine“. Aber auf der andere Seite sei sie immer ein Mensch geblieben.

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