Untersuchung nach Fall Franco A. 100.000 Asylbescheide in Deutschland werden überprüft

Berlin · Das Bundesamt für Migration zieht Konsequenzen aus dem Fall des Bundeswehrsoldaten und falschen Flüchtlings Franco A. und nimmt rund 100.000 Asylbescheide unter die Lupe.

 Die Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Bingen.

Die Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Bingen.

Foto: dpa

Als Konsequenz aus dem Fall des Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte, sollen nun bis zu 100.000 Asylbescheide rasch überprüft werden. Im Fokus stehen dabei 18- bis 35-jährige unverheiratete Männer aus den zehn wichtigsten Herkunftsländern. Üblicherweise muss der Flüchtlingsstatus erst nach drei Jahren neu anerkannt werden. Nun sollen Entscheidungen aus den Jahren 2015 und 2016 direkt auf den Prüfstand kommen. Wie Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch nach einer Sitzung des Innenausschusses erklärte, sollen die erneuten Verfahren im Sommer beginnen.

Die Mitglieder des Innenausschusses hatten sich zuvor mit einer internen Untersuchung des Bundesamtes für Migration (Bamf) befasst, die wegen der falschen Anerkennung des terrorverdächtigen Franco A. eingeleitet worden war. Franco A. steht unter dem Verdacht, dass er mit der Identität eines Flüchtlings einen Anschlag begehen und damit die Stimmung gegen Flüchtlinge im Land anheizen wollte.

Stichprobenartig nahm das Bamf in den vergangenen Wochen 2000 Fälle, in denen ein Flüchtlingsstatus anerkannt wurde, unter die Lupe. Bei 18 Prozent der aus Syrien stammenden Flüchtlinge tauchten Unregelmäßigkeiten oder Verfahrensfehler auf. Bei den Afghanen mit positivem Bescheid waren es sogar 46 Prozent. Das geht aus einer Unterlage zur internen Revision im Bamf hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

„Die Stichprobenüberprüfung beim Bamf zeigt, dass in vielen Asylverfahren Verfahrensregeln nicht ausreichend beachtet worden sind“, sagte der Vorsitzende des Innenausschusses, Ansgar Heveling (CDU), unserer Redaktion. „Das heißt aber nicht, dass die Entscheidungen auch in der Sache falsch sind.“ Als fehlerhaft gilt ein Verfahren beispielsweise, wenn die Anhörung nicht vollständig dokumentiert ist, wenn ein Bescheid nur mit Textbausteinen erstellt wurde oder wenn die Qualitätskontrollen nicht eingehalten wurden.

Fehler in jedem Schritt des Verfahrens

Die interne Revision kommt zu dem Fazit, dass im Fall von Franco A. in jedem Schritt des Asylverfahrens Fehler gemacht wurden. In den 2000 Stichproben habe sich kein weiterer Fall dieser Art gefunden, heißt es in dem Papier. Der Opposition im Bundestag reicht dies nicht. „Ich kann nicht nachvollziehen, wie man zu dem Ergebnis kommt: Es gibt keinen weiteren Fall Franco A.“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic. Sie bemängelte zudem, dass keine negativen Asylentscheidungen in die Stichprobe einbezogen worden seien.

SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka mutmaßte, de Maizière spiele bei der Überprüfung auf „Lücke“. Er wolle Fehler im Bamf bis zur Bundestagswahl unter der Decke halten. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) stärkte hingegen dem Bamf den Rücken: „In einem bewundernswerten Kraftakt haben die Mitarbeiter des Bamf Hunderttausende von Entscheidungen getroffen“, betonte Kauder. Fehler seien angesichts der vielen Fälle fast unvermeidbar. Die geplante erneute Überprüfung von Asylentscheidungen bestimmter Personengruppen nannte Kauder „konsequent“.

Dolmetscher-Verträge geändert

Im Fall von Franco A. ist es besonders erstaunlich, dass er nicht wegen seiner fehlenden arabischen Sprachkenntnisse auffiel. Bamf-Chefin Jutta Cordt erklärte am Mittwoch, dass inzwischen die Verträge aller 8000 Dolmetscher der Behörde geändert wurden. Sie sind künftig verpflichtet zu melden, wenn sie Zweifel an der Identität eines Antragstellers haben.

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