Interview mit NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst „Mehr Baustellen heißen erst einmal auch mehr Staus“

Düsseldorf · Das Dieselfahrverbot ist eine Steinzeitlösung, sagt Hendrik Wüst. Mit dem neuen NRW-Verkehrsminister sprachen Reinhard Kowalewsky und Christian Schwertfeger außerdem über die Staubekämpfung, die Südtangente und Radschnellwege.

Herr Minister, fahren Sie eigentlich noch gerne Auto bei den vielen Staus auf den Straßen?

Hendrik Wüst: Ja, aber auch ich ärgere mich natürlich, wenn ich im Stau stehe. Hier in Düsseldorf nehme ich auch gerne immer wieder das Fahrrad.

Schwarz-Gelb hat damit Wahlkampf betrieben, die Staus sollten aufhören. Und nun?

Wüst: Jetzt werden wir eine Politik der ganzen Landesregierung haben, die die Kräfte entfesselt. Die alte Landesregierung hat zeitweise gezielt zu wenige neue Straßenbauprojekte geplant und verpasste es darum, wichtige Bundesmittel zu erhalten. Jetzt sind wir auf der Überholspur und geben beim Straßenbau Gas.

Wird Nordrhein-Westfalen das Stau-Land Nummer eins in Deutschland bleiben?

Wüst: Ganz werden wir Staus nie wegkriegen. Es muss in kurzer Zeit viel gebaut werden. Das ist klar. Denn es ist viel zu lange nicht gebaut worden. Erst war das Geld nicht da. Dann fehlte der politische Wille und es wurde nicht geplant, obwohl Geld da war.

Wird es zum Zeitpunkt der nächsten Landtagswahl im Jahr 2022 keine Staus geben?

Wüst: Nein. Wir hoffen zwar 2022 auf weniger Staus, aber ganz werden wir sie nicht vermeiden können: Denn wir wollen für die Zukunft von NRW investieren. Da wird es also auch in 2022 Baustellen geben. Und zur Reparatur aller Brücken brauchen wir sicher 15 Jahre. Aber ich hoffe, dass die Autofahrer sich etwas damit trösten, dass die weiteren Behinderungen nur da sind, weil es vorangehen soll – nicht weil ideologisch gebremst wurde.

Aber jetzt ist Geld da?

Wüst: Ja! Es wird jetzt kräftig geplant. Es gibt keine politischen Blockaden mehr. Das Geld ist da. Der politische Wille ist da. Wir werden also gut bauen können in den nächsten Jahren. Und ich habe die Hoffnung, dass wir vom Bund schon in diesem Jahr sogar noch Geld nachfordern können.

Der Anti-Stau-Minister provoziert neue Baustellen?

Wüst: Der Anti-Stau-Minister weiß, dass neue Baustellen nötig sind. Das ist das Paradoxon meiner Aufgabe. Wenn wir bauen, heißt das mehr Baustellen, und das heißt erst einmal auch mehr Staus. Wir versuchen aber alles, um Behinderungen zu vermeiden oder zu verkleinern, wo immer es möglich ist.

Wie lässt sich das Baustellenmanagement verbessern, was wird dazu getan?

Wüst: Mehr Bauen bei weniger Staus wird nicht einfach. Ende dieser Woche bin ich zum Ferienstart in der Verkehrszentrale in Leverkusen. Ein wichtiger Baustein ist es, die Möglichkeiten der Verkehrslenkung und der Telematik auszubauen. Die Digitalisierung gibt uns da neue Chancen. Ein anderer Baustein: Wir werden die Möglichkeiten der Beschleunigung von Baustellen konsequent nutzen. Also engere zeitliche Vorgaben für die Firmen, konsequente Sechs-Tage-Woche, Gratifikationen für schnellere Fertigstellung, Ausweitung von Nachtarbeit, Zusammenfassung von Bauabschnitten für verschiedene Maßnahmen. Ich werde großen Wert darauf legen, dass NRW da noch besser wird. Sehr gut finde ich, dass Straßen NRW jetzt in Bonn einen dauerhaften Ansprechpartner für die zahlreichen Baustellen in den kommenden Jahren fest installieren will. Denn für die Lösung der Verkehrsprobleme müssen alle Beteiligten eng zusammenarbeiten.

Wie steht die neue Landesregierung zur sogenannten Südtangente? Wird sie mit der Planung beginnen?

Wüst: Die Südtangente wird seit über 40 Jahren geplant, sie hat aber in Bonn nie eine politische Mehrheit bekommen. Daher ist sie im neuen Bundesverkehrswegeplan als „weiterer Bedarf mit Planungsrecht“ eingestuft. Das heißt: Es werden erst die Maßnahmen in den Kategorien „vordringlicher Bedarf“ und „vordringlicher Bedarf – Engpassbeseitigung“ geplant. Wenn dann noch Kapazitäten da sind, kommen auch die Maßnahmen im weiteren Bedarf dran.

Wird die Planung der Rheinquerung zwischen Wesseling und Niederkassel weiter forciert?

Wüst: Alle Beteiligten haben zugestimmt, dass die neue Rheinquerung im Bundesverkehrswegeplan hochgestuft wurde. Der Landesbetrieb Straßen NRW hat bereits damit begonnen, weit im Vorfeld Bürgerinnen und Bürger sowie Institutionen in die Planungen einzubeziehen. Das setzen wir fort. Ich sehe eine große Chance, dass wir hier mal eine Planung und das dazugehörige Baurecht in Rekordzeit hinbekommen. Die zusätzliche Rheinquerung wäre eine enorme Entlastung für die Region.

Wird es mit Ihnen Dieselfahrverbote in NRW geben?

Wüst: Nein! Ich bin strikt dagegen. Das ist überhaupt nicht durchdacht. Das Dieselfahrverbot ist eine Steinzeitlösung.

Was wollen Sie stattdessen machen, um die Luft in den Städten wieder sauberer zu machen?

Wüst: Wir werden das mit einem Bündel von Maßnahmen in den Griff kriegen.

Werden Sie konkreter ...

Wüst: Nehmen wir die Corneliusstraße in Düsseldorf. Wir haben bereits einen älteren Luftreinhalteplan, der überarbeitet werden muss. Hier sind die Belastungen zum Glück längst noch nicht so krass wie in Stuttgart oder München. Ich bin überzeugt, dass man die Emissionen bei uns innerhalb weniger Jahre in den Griff bekommen kann. Durch die Corneliusstraße laufen drei vielbefahrene Buslinien. Wenn man die umstellt auf emissionsarmen Antrieb, haben wir bereits ein gutes Stück erreicht. Wenn man dann noch mehr auf die Digitalisierung zur Verkehrssteuerung setzt und auf technische Nachrüstungen am Auto, dann werden wir den kritischen Grenzwert einhalten können. Das ist mir sehr wichtig.

Könnten Sie sich vorstellen, dass Radschnellwege helfen, die Umwelt zu entlasten? Oder ist Schwarz-Gelb eine reine Autofahrerregierung?

Wüst: Im Gegenteil, wir wollen integrierte, intelligente Verkehrskonzepte. Ich befürworte einen schnellen Ausbau von Radschnellwegen in den städtischen Regionen wie dem Ruhrgebiet und dem Rheinland, auch um die Straßen zu entlasten. Aber auf dem Land sind sichere Wege zu Kindergärten und Schulen wichtiger als in Radschnellwege zu investieren, wenn diese nur von wenigen Menschen genutzt werden.

Und was ist mit dem öffentlichen Nahverkehr?

Wüst: Ganz wichtig. Wir brauchen eine komplette digitale Verknüpfung der Verkehrsträger: Für mich unverzichtbar ist, dass ich künftig eine Fahrt durch alle Verkehrsverbünde in NRW mit nur einer App buchen und bezahlen kann. Diese App sollte aber auch mit anderen Angeboten wie Car-Sharing verbunden sein. Dann steige ich in Köln in den RRX nach Dortmund und steige dort in den Car-Sharing-Wagen für die Weiterfahrt. Das ist bequem für mich – und gut für die Umwelt. Es wird doch bald kein Kunde mehr akzeptieren, dass er sich in jeder Stadt durch einen anderen Fahrscheinautomaten mit anderer Tarifstruktur hangeln muss. Das ist von vorgestern.

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