Interview von Donald Trump „Die Nato hat Probleme. Sie ist obsolet“

Berlin · In einem Interview spricht der designierte US-Präsident Donald Trump Klartext und macht klar, was er von der nordatlantischen Allianz, von Europa und von Bundeskanzlerin Angela Merkel hält. Berlin reagiert betont gelassen.

 Im Arbeitszimmer: Donald Trump, der gewählte 45. Präsident der Vereinigten Staaten, beim Interview.

Im Arbeitszimmer: Donald Trump, der gewählte 45. Präsident der Vereinigten Staaten, beim Interview.

Foto: dpa

Man kann sich schon mal täuschen, gerade wenn man eine Organisation für „veraltet“ oder „überholt“ hält. Zum Beispiel die Nato. Im echten Leben hat sie 28 Mitglieder. Donald Trump schrumpft sie in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung und der Londoner „Times“ vorbeugend auf 22 Mitglieder, was umso mehr erstaunt, weil solche Interviews gemeinhin von einem Dutzend Beratern wieder und wieder geprüft und auf mögliche Fehler abgeklopft werden. Aber Trump ist anders.

Nun gut, der gewählte US-Präsident hat bei einem Wahlkampfauftritt in Atlanta auch gesagt: „Belgien ist eine wunderschöne Stadt und ein herrlicher Ort – großartige Gebäude.“ Belgien ist für einen künftigen US-Präsidenten, der wenig von der Europäischen Union hält, vielleicht nicht die erste Adresse in Europa. Aber die Nato war bislang ein unverrückbarer Pfeiler für die transatlantische Sicherheit. Jetzt kommt der bald mächtigste Mann auf diesem Erdball, wenige Tage vor seiner Amtseinführung am Freitag in Washington, und sagt zwei großen europäischen Tageszeitungen, was er von der Nato hält: wenig. Trump: „Die Nato hat Probleme. Sie ist obsolet, weil sie erstens, wie Sie wissen, vor vielen, vielen Jahren entworfen wurde. Zweitens zahlen die Länder nicht das, was sie zahlen müssten. Ich kam massiv unter Druck, als ich sagte, die Nato sei obsolet. Sie ist aber obsolet, weil sie sich nicht um den Terrorismus gekümmert hat.“

In Brüssel kommt der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gerade aus einem Gespräch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Trumps Interview-Äußerungen seien bei der Nato „mit Besorgnis aufgenommen“ worden. Kündigt da der 45. US-Präsident etwa gerade die unverbrüchliche Solidarität der nordatlantischen Allianz mit Ansage auf? Der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Jens Flosdorff, erklärt in Berlin dazu: „Die Nato ist ein Bündnis, dessen Bedeutung in den vergangenen Jahren eher noch gewachsen ist.“

Zuletzt hätten die 28 Mitglieder der Allianz bei ihrem Gipfel im vergangenen Sommer in Warschau unter anderem bekräftigt, dass sie sich schrittweise dem Ziel nähern wollten, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für den Verteidigungsetat bereitzustellen. Trump ärgert sich, dass die Nato Länder schützen solle, die diesen Betrag bislang nicht bezahlten, darunter übrigens auch Deutschland. Frage: „Zahlt Großbritannien?“ Trump: „Großbritannien zahlt. Es gibt fünf Länder, die zahlen, was sie sollen. Fünf. Das ist nicht viel … von 22.“

Womit der künftige US-Präsident selbstredend das Bündnis der 28 Staaten meint. Er sagt dann noch: „Abgesehen davon ist mir die Nato sehr wichtig.“

Trump spricht über Deutschland, jenes Land, aus dem seine Vorfahren kommen. „Na, das ist großartig. Ich bin sehr stolz auf Deutschland, und Deutschland ist etwas ganz Besonderes. Bad Dürkheim, ja? (…) Ich liebe Deutschland, ich liebe Großbritannien.“ Wie es mit der Liebe oder Funktionsbeziehung zu einer Bundeskanzlerin Angela Merkel aussehen wird, muss sich noch weisen. Merkel jedenfalls will sich an diesem Tag der Veröffentlichung des Trump-Interviews, das in Berlin einige Wellen auslöst, nicht aus der Reserve locken lassen. Alles, bloß keine Aufgeregtheiten, scheint ihre Devise kurz vor der Amtseinführung von Trump zu sein.

Beim Besuch des neuseeländischen Premierministers Bill English am Montag im Kanzleramt versucht Merkel, auf Fragen zu Trump die Betriebstemperatur auf Normalstufe zu halten. „Ich persönlich warte jetzt erst einmal auf die Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten.“ Die Bundesregierung werde auf allen Ebenen mit der US-Administration zusammenarbeiten.

Trump habe seine Position jetzt „noch einmal dargelegt.“ Diese Positionen seien ja schon „eine Weile bekannt, meine sind auch bekannt“. Merkel: „Und dann werden wir, wenn er im Amt ist, (...) natürlich mit der amerikanischen Regierung zusammenarbeiten und dann schauen, welche Art von Übereinkommen wir erzielen können.“ Und auf Fragen zu möglichen Rückzugstendenzen der Weltmacht USA sagt sie: „Also, ich denke, wir Europäer haben unser Schicksal selbst in der Hand.“

Wann Merkel tatsächlich erstmals Trump als US-Präsident im Amt treffen wird, ist offen. Nach dem Gipfelkalender würden Merkel und Trump sowohl beim G7-Gipfel in Italien im Mai wie auch beim G20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg einander begegnen. Doch nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters soll die Bundesregierung dem Trump-Team einen Antrittsbesuch Merkels schon im Frühjahr angeboten haben. Merkel könnte dann im Rahmen der deutschen Präsidentschaft als G20-Vorsitzende in die USA reisen.

Trump wiederum provoziert in dem Interview in von ihm bislang bekannter Manier. Er begrüßt den britischen Austritt aus der EU und glaubt, dass das Beispiel Schule machen werde: „Wenn Sie mich fragen: Es werden weitere Länder austreten.“ Deutschland habe sich die EU zum Werkzeug für die eigene Stärke gemacht: „Im Grunde genommen ist die Europäische Union ein Mittel zum Zweck für Deutschland. Deswegen fand ich, dass es so klug von Großbritannien war, auszutreten.“

Im Bundesfinanzministerium will man nicht auf der Basis von Interview-Äußerungen eines gewählten Präsidenten über dessen künftige Politik spekulieren. „Im Moment haben wir es mit Ankündigungen zu tun und nicht mit konkreter Politik“, sagte eine Sprecherin von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), sagte im Deutschlandfunk: „Mein Eindruck ist, Trump bleibt Trump, noch so, wie wir ihn aus dem Wahlkampf kennen. (...) Ob die Europäische Union geeint oder zerstritten ist, ist ihm egal. Ob die Nato da ist oder nicht, ist ihm auch egal.“

In drei Tagen kommt Trump ins Amt. Im Interview hat er noch über seine Art, die Welt via Twitter zu kommentieren, gesagt: „Ich kann bing, bing, bing machen. Dann haue ich ein Ding raus.“

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