Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in NRW „Die Einbrüche sind für die Polizei das Topthema“

Bonn · Arnold Plickert, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in NRW, äußert sich im GA-Interview über die Sicherheitslage im Land.

Diebstahl, Wohnungseinbrüche, Gewaltkriminalität: Viele Menschen haben ein Gefühl der Verunsicherung. Ist das Leben in Nordrhein-Westfalen tatsächlich unsicherer geworden, oder ist dies nur ein subjektiver Eindruck?

Arnold Plickert: Die statistischen Zahlen spiegeln das eigentlich nicht wider. Wenn ich mir die polizeiliche Kriminalstatistik anschaue, gehen besonders bei den schweren Gewaltdelikten wie Mord und Totschlag die Zahlen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurück. Das gilt auch für Raub- und Sexualdelikte. Was die Menschen besonders verunsichert, sind die Tages-Wohnungseinbrüche. Da haben wir tatsächlich einen dramatischen Zuwachs der Zahlen. Das Wissen, dass ein Fremder im eigenen Wohnzimmer oder Schlafzimmer war, in den intimsten Räumen, beunruhigt die Menschen natürlich. Vor zehn Jahren fühlten sich nach Befragungen nur 30 Prozent der Menschen in Deutschland unsicher, heute sind es 80 Prozent. Die Ereignisse der Silvesternacht von Köln haben zu diesem Ergebnis sicher beigetragen.

Und der Terror?

Plickert: Mit dem Anschlag von Berlin hat die terroristische Bedrohung auch Deutschland erreicht. Das ist nicht überraschend, es war ja nicht die Frage, ob ein Anschlag kommt, sondern wann und wo er kommt. Dass die Hauptstadt getroffen wurde, ist nach den Attentaten in Paris und Brüssel nicht erstaunlich. Insgesamt meine ich aber, dass wir in Deutschland sicher leben, auch wenn es Bereiche gibt, in denen die Polizei besonders aufpassen muss. Die Sicherheit ist aber auch nur deshalb so gewährleistet, weil die Polizisten geknechtet werden bis zum Gehtnichtmehr. Allein in NRW schiebt die Polizei 3,9 Millionen Überstunden vor sich her.

Wird die Polizei das Problem der Wohnungseinbrüche in diesem Jahr besser in den Griff kriegen?

Plickert: Die Zahlen gehen jetzt schon zurück, seit Mitte 2016 in einigen Großstädten sogar um zehn bis 15 Prozent. Die Einbrüche sind für die Polizei das Topthema. Ich hoffe, dass unsere Maßnahmen weiter wirken, aber ein langer Atem wird erforderlich sein. Dass wir die Einbruchszahlen 2017 radikal reduzieren können, glaube ich allerdings nicht.

Was müsste geschehen, um den Bürgern dieses elementare Sicherheitsgefühl wieder zu geben?

Plickert: Wir brauchen einfach mehr Polizisten, die die Fälle bearbeiten können. Aber die Polizeiausbildung benötigt drei Jahre, das nötige Personal wird also erst 2018 oder 2019 zur Verfügung stehen. Spektakuläre Erfolge im Kampf gegen die Einbruchskriminalität sind also unwahrscheinlich. Was mit mehr Personal möglich ist, sehen wir in Köln: Seit rund um Dom und Hauptbahnhof täglich Bereitschaftspolizei unterwegs ist, ist die Zahl der Raub- und Diebstahlsdelikte dort stark zurückgegangen. Aber die Bürger sind natürlich auch selbst gefragt.

Welche Möglichkeiten haben die Bürger, um selbst für mehr Sicherheit zu sorgen?

Plickert: Beim Thema Einbrüche muss sich jeder fragen, wie gut die Fenster und Türen seiner Wohnung oder seines Hauses gesichert sind. 40 Prozent der Einbrüche scheitern, weil die Täter Fenster und Türen nicht aufbekommen. Das ist eine hohe Zahl. Auch gegenseitige Aufmerksamkeit in der Nachbarschaft kann gegen Einbrüche helfen. Schon bei der Anlage von Neubaugebieten kann etwas getan werden, indem nämlich auf Bäume und Hecken verzichtet wird, die den Tätern Deckung geben.

Was ist eigentlich schief gegangen, wenn in manchen NRW-Städten ganze Straßenzüge in der Hand ausländischer Verbrecherclans sind?

Plickert: Beispiel Duisburg-Marxloh. Früher ein ganz normaler Stadtteil. Dann wanderte die Stahlindustrie ab, und mit ihr viele der angestammten Bewohner. Niemand hat sich mehr um den Stadtteil gekümmert, die Bausubstanz verkam. Jetzt gibt es dort Schrottimmobilien, in denen sich Parallelgesellschaften etabliert haben. Von Integration oder Rechtsstaat ist da nicht mehr die Rede.

Warum wurden diese Entwicklungen hingenommen?

Plickert: Es war lange ein Tabu, darüber zu sprechen. Ich bin froh, dass wir heute sachlich über Themen wie Sozialmissbrauch, Scheinbeschäftigung, Kindergeldbetrug von Menschen aus arabischen Ländern oder Südosteuropa reden können, ohne in eine Ecke gestellt oder geteert und gefedert zu werden.

Seit Jahren klagen Polizisten darüber, dass ihnen respektlos begegnet wird, dass sie im Einsatz angegriffen werden. Was kann man dagegen tun?

Plickert: Nicht nur Polizisten, auch Feuerwehrleute und Rettungskräfte sind betroffen. Unsere Forderung ist, den Straftatbestand 113, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, neu aufzulegen, was nun auch geschieht. Der Volkssport, Amtsträger anzugreifen, zu bewerfen, zu bespucken oder zu beleidigen, muss aufhören. Da muss es ein deutliches Signal vom Staat geben. NRW hat eine Initiative gestartet, um das Strafmaß für Täter anzuheben, die Menschen angreifen, die dem Gemeinwohl dienen. Damit wären dann auch ehrenamtliche Helfer besser geschützt.

Wie stehen Sie zur Ausstattung der Polizei mit Bodycams, mit denen solche Vergehen dokumentiert werden könnten?

Plickert: Auch da hat die Kölner Silvesternacht zu einem Umdenken geführt. In NRW soll die Bodycam nun erprobt werden, was ich sehr begrüße. Die praktischen Erfahrungen sind sehr gut. In Frankfurt zum Beispiel berichten die Beamten, dass die Aggressionen gegen sie deutlich zurückgegangen sind, seitdem sie Bodycams benutzen.

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