Gerhard Ludwig Müller Chef-Ideologe der katholischen Kirche wird Kardinal

ROM · Wenn Papst Franziskus am Samstag Gerhard Ludwig Müller zusammen mit 18 weiteren Bischöfen in den Kardinalsstand erhebt, dann prallen auch zwei Gedankenschulen aufeinander.

 Ab morgen Kardinal: Gerhard Ludwig Müller.

Ab morgen Kardinal: Gerhard Ludwig Müller.

Foto: dpa

In der einen gilt der 66 Jahre alte Theologe als liberaler Geist, der lange als Seelsorger in den Armenvierteln Lateinamerikas unterwegs war. Dieses Bild haben viele im Vatikan von Müller. In der anderen ist Müller ein konservativer Hardliner, der als Präfekt der Glaubenskongregation die katholische Doktrin gegen ihre angeblichen Feinde verteidigt. Auch gegen den Papst.

In den späten 80er Jahren besuchte Müller als einfacher Priester regelmäßig die Armenviertel in Perus Hauptstadt Lima und freundete sich mit Gustavo Gutiérrez an, der bis vor kurzem in Rom ungefähr so gern gesehen war wie der Beelzebub. Gutiérrez ist einer der Begründer der sozialistischen Befreiungstheologie, die mit ihrer christlichen Sozialkritik Rechte für die Armen fordert und in ihrer weniger radikalen Version ("Option für die Armen") auch den Papst fasziniert.

Müller hat sich intensiv mit dieser Theorie beschäftigt, ihren marxistischen Kern aber stets abgelehnt. Berührungsängste mit dem Thema kennt er nicht. Auf seine Vermittlung hin bekam Gutiérrez bei Franziskus im September eine Audienz.

Jetzt hat Franziskus auch das Vorwort eines nächste Woche erscheinenden Buches von Müller mit dem Titel "Povera per i poveri" (Arm für die Armen) verfasst, in dem der künftige Kardinal das Thema behandelt, das dem Papst so am Herzen liegt: die Armut. Nach seiner Wahl bestätigte Franziskus Müller als einen der ersten Chefs einer Vatikan-Behörde im Amt. Die beiden sehen sich im Wochenrhythmus, sprechen Italienisch und Spanisch miteinander. Sogar Schnitzel und Kartoffelsalat bekam Franziskus bereits in Müllers Privatwohnung serviert.

Dieses Idyll zwischen Papst und seinem Chefideologen verwundert, wenn man sich das in Deutschland verbreitete Bild von Müller vergegenwärtigt. Seit seiner Zeit als Bischof von Regensburg gilt der aus Mainz stammende Müller bei vielen als Konservativer, der Kritik an der Amtskirche im Keim erstickt und die Medien für "Hetzkampagnen" verantwortlich macht. Zuletzt verteidigte er den umstrittenen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst pauschal gegen Vorwürfe.

In der Debatte um den weltweit tausendfachen sexuellen Missbrauch durch Priester sprach Müller von "Einzelfällen". Auffällig streng rammte er einige Pflöcke zur Verteidigung der katholischen Doktrin in den Boden. Er kassierte zum Beispiel die sogenannte Freiburger Handreichung, in der wiederverheirateten Geschiedenen wieder Hoffnung auf die Sakramente gemacht wird.

Außerdem ist er gegen eine Lockerung des Zölibats oder die Priesterweihe für Frauen. Seine Botschaft ist: Die Aufweichung der katholischen Doktrin wäre der Anfang vom Ende. Damit steht Müller durchaus im Kontrast zu Franziskus, der mit seiner wiederholten Forderung nach mehr "Barmherzigkeit" eine weniger starre Position einnimmt.

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