Kommentar zur Lage in Venezuela Wunder Punkt

Meinung | Bonn · Das einzige, was den Machthaber von Caracas wirklich empfindlich treffen würde, wäre ein Stopp der Ölgeschäfte. Venezuela verfügt über die größten Reserven der Welt, 95 Prozent der Exporteinnahmen kommen durch Öl zustande.

 Abgelöst: Die kritische Chefanklägerin Luisa Ortega.

Abgelöst: Die kritische Chefanklägerin Luisa Ortega.

Foto: AP

"Friedlich, ruhig und entsprechend dem nötigen Protokoll“ – so sollte nach den Worten von Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro die erste Sitzung der neuen Verfassungsversammlung am Freitag ablaufen. Stattdessen: Massenproteste, Verhaftungen, Chaos. Die Opposition bäumt sich weiter tapfer auf gegen den Präsidenten, der dabei ist, sein Land mittels Gewalt, mutmaßlichem Wahlbetrug und Verhaftungen in eine Diktatur zu verwandeln – die erste in Südamerika seit Augusto Pinochet in Chile.

Entmachtung des Maduro-kritischen Parlaments, Unterwerfung der Justiz, die Absetzung der Chefanklägerin: Die Aussichten, die die geplante Verfassungsreform bietet, sind für das von Armut, Wirtschaftskrise und Korruption geplagte Land düster. Es ist absehbar, dass die Gewalt weitergehen und die Regierung auf anhaltende Proteste umso skrupelloser reagieren wird.

Die Weltgemeinschaft darf dem Treiben Maduros nicht zusehen. An scharfer Kritik mangelt es zwar nicht: EU, USA und viele lateinamerikanische Staaten wollen die geplante Verfassungsreform nicht anerkennen. Aber umgestimmt hat das Maduro bisher nicht. Das einzige, was den Machthaber von Caracas wirklich empfindlich treffen würde, wäre ein Stopp der Ölgeschäfte. Venezuela verfügt über die größten Reserven der Welt, 95 Prozent der Exporteinnahmen kommen durch Öl zustande. Fielen sie aus, könnte Venezuela in die Zahlungsunfähigkeit schlittern, und in der Folge könnten Funktionäre gegen Maduro aufbegehren. Der Preis für die Pleite wäre allerdings hoch – Leidtragender wäre einmal mehr die Bevölkerung.

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