Nach dem Attentat in Neuseeland Wie groß ist der rechtsextremistische Islamhass weltweit?

Berlin · Nicht erst seit dem Anschlag in Neuseeland ziehen Attentäter mit islamophobischen Motiven eine blutige Spur des Todes rund um den Globus. In Deutschland gab es 2018 mehr als 600 Angriffe auf Muslime.

 Die Polizei blockiert eine Straße in der Nähe des Attentats in einer Moschee in Neuseeland.

Die Polizei blockiert eine Straße in der Nähe des Attentats in einer Moschee in Neuseeland.

Foto: dpa

Das Entsetzen über die im Stil eines kaltblütigen Killerspiels verübte Bluttat in Neuseeland ähnelt der Bestürzung, die vor knapp acht Jahren auf die Nachrichten aus Norwegen entstand. Tatsächlich hat sich der Muslimhasser von Christchurch auf den Muslimhasser aus Norwegen berufen. Und wie Anders Breivik, der 2011 in Norwegen 77 Menschen tötete, gab nun auch der mutmaßliche Haupttäter von Christchurch in Neuseeland in einem die Tat begleitenden Schreiben die Verteidigung vor Eindringlingen als Tatmotiv an.

Auf dem live im Internet übertragenen Weg zum Massaker hörte er den unter Rechtsextremisten verbreiteten Song „Karadzic, führe deine Serben“. Radovan Karadzic ist wegen des Massakers an muslimischen Jungen und Männern in Srebrenica wegen Völkermordes für schuldig befunden worden. Rund 8000 Muslime fielen im Sommer 1995 in Bosnien den „Säuberungen“ der Serben zum Opfer.

Es zieht sich also eine Spur des Todes blindwütiger Attentäter mit islamophobischen Motiven rund um den Globus. Bezug nimmt diese Spur auch zu Deutschland. So bezeichnet der mutmaßliche Haupttäter die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel als Mutter aller antiweißen und antigermanischen Vorgänge. Zudem nimmt er Bezug auf eine Vorstellung, die selbst auf AfD-Parteitagen immer wieder zu hören ist, dass nämlich die Politik an einem „Austausch“ der Bevölkerung arbeite. „Der große Austausch“ ist die 70-seitige Schrift betitelt, die er als Erklärung ins Netz stellte.

Weltweite Gefahr ist offenkundig

Sie folgt einem immer weiter um sich greifenden Trend, nicht mehr zwischen islamistischem Terrorismus und Muslimen zu unterscheiden. Inmitten dieser fließenden Begrifflichkeiten war anfangs noch ein Bemühen zu erkennen, die Bedenken gegen einen „politischen Islam“ und dessen potenziellen Herausforderungen zu differenzieren von dem Erleben gut integrierter Muslime. Aber auch darüber ist die Islamophobie immer mehr hinweggetrampelt. Übriggeblieben ist die Überzeugung, dass ein „Kampf der Kulturen“ begonnen habe.

Die weltweite Gefahr des Rechtsterrorismus ist mit der Bluttat von Christchurch offenkundig geworden. In Deutschland hat die Mordserie durch den „Nationalsozialistischen Untergrund“ das Bewusstsein für potenzielle rechtsterroristische Bewegungen geschärft. Neue Hinweise auf rechtsextremistische Netzwerke mit potenziell rechtsterroristischen Zielen sind von den Behörden bislang nicht als große Gefahr gewertet worden.

Allerdings hielt auch schon der letzte Verfassungsschutzbericht ausdrücklich fest, dass die zurückgehenden Zahlen rechtsextremistischer Straftaten (19 467) und rechtsextremistischer Gewalttaten (1054) im Jahr 2017 nicht über ein „anhaltendes Gefährdungspotenzial hinwegtäuschen“ dürften.

Hunderte Angriffe in Deutschland

Mehr als 600 Angriffe auf Muslime und muslimische Einrichtungen zählten die Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr in Deutschland; mehre Dutzend Muslime wurden dabei verletzt. Dabei wurden Schriftzüge wie „verpisst Euch“ auch mit Hakenkreuzen versehen. Bei den rechtsextremistischen Demonstrationen im Herbst in Deutschland tauchte auch die so genannte „schwarze Sonne“ auf, die als altgermanisches Runen-Wagenrad interpretiert wird, bei genauerem Hinsehen aber auch als drei übereinandergelegte Hakenkreuze gewertet werden kann. Das Symbol kam nun auch in Neuseeland auf der Kleidung des Attentäters vor.

Die Ideologie hat weltweit Anhänger gefunden. So müssen weitere Nachahmertaten befürchtet werden. Ein Kommentator auf einer deutschen Internetseite, die gerne von Verschwörungstheoretikern und Rassisten besucht wird, versah den Bericht über das Massaker von Neuseeland mit der Bemerkung: „Ein Anfang ist gemacht.“

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