Kommentar zu fünf Jahren Freiwilligenarmee Wehrpflicht, ja bitte!

Meinung | Bonn · Nachweinen lohnt sich nicht: Der Pflichtdienst bei der Bundeswehr, seit fünf Jahren ausgesetzt, wäre in seiner alten Form heute nicht mehr zeitgemäß. Für eine Neuauflage mit zivilen Stationen und modernen Inhalten spräche indes sehr viel.

 Ein Bild aus dem Archiv: Zur Musterung, wie hier am Kreiswehrersatzamt im schwäbischen Kempten, wird heute niemand mehr verpflichtet. Vor fünf Jahren, am 30. Juni 2011, endete die Wehrpflicht.

Ein Bild aus dem Archiv: Zur Musterung, wie hier am Kreiswehrersatzamt im schwäbischen Kempten, wird heute niemand mehr verpflichtet. Vor fünf Jahren, am 30. Juni 2011, endete die Wehrpflicht.

Foto: dpa

Macht es Sinn, jedes Jahr Tausende mehr oder weniger widerwillige, junge Männer zu Übungen durchs Gelände zu schicken oder sie zu triezen, ihre Garderobe auf DIN-A4-Format zu falten? Die Wehrpflicht, wie sie lange war, scheint im Rückblick archaisch – und zwar in vielerlei Hinsicht.

Auch wenn „Bundis“ lebenspraktische Dinge aus ihrer Zeit im Flecktarn ziehen konnten, auch wenn die Bundeswehr von Widerwort und Streitlust der jungen Rekruten profitieren konnte, so ist ein Pflichtdienst für keine Seite optimal.

Nicht für Schulabgänger, die wegen Studium, Job-Einstieg, Zeitverträgen, Umzügen und Familiengründung durch ihr nächstes Lebensjahrzehnt hetzen und die neun bis 15 Monate in der Kaserne besser anderweitig investieren, falls sie dem Projekt Verteidigung nichts abgewinnen können.

Nicht für die Bundeswehr, der es freilich gefallen hat, regelmäßig und ohne Mühe neue Kandidaten zugeführt zu bekommen. Doch auch den Streitkräften, mehr und mehr eine Truppe hoch spezialisierter Kräfte und Experten, nutzen Null-Bock-Rekruten heute wenig. Schlimmstenfalls bindet ihre Betreuung qualifizierte Vorgesetzte, die wegen Auslandseinsätzen und Hilfsaktionen im Inland unentbehrlich wären.

Man müsste der Wehrpflicht nicht hinterhertrauern, wenn denn der Umbau zu einer Freiwilligen-Armee funktionieren würde. Fünf Jahre nach Aussetzung der Wehrpflicht sieht es jedoch nicht danach aus. Händeringend sucht die Bundeswehr nach Leuten. Sie muss Bewerber finden, die für einen maximalen Wehrsold von 1146,30 Euro früh aufstehen, viel pendeln und wenig zimperlich sind. Gegen eine vergleichsweise lauschige Ausbildung in Werkstatt oder Großkonzern verliert die Truppe zu oft den Wettkampf um die Guten. Früher hat mancher skeptische Rekrut bei der Bundeswehr doch seine Berufung gefunden. Heute gibt es für ein Kennenlernen erst gar keine Chance.

Gleichzeitig ist die sicherheitspolitisch entspannte Atmosphäre, in der Karl-Theodor zu Guttenberg die Wehrpflicht wegwischte, verpufft. Fünf Jahre nach seinem Entschluss sorgen sich Nato-Mitgliedsstaaten in Osteuropa vor den Kriegstaktiken eines unberechenbaren Wladimir Putin. IS-Terror und Schleuserbanden halten die Truppe auf Trab. Sie wird, mehr als im Jahr 2011, gebraucht – an vielen Orten, ganz dringend.

Gäbe es einen Weg, die Richtigen zu verpflichten, könnte man angesichts von Demografie und Krisenherde inzwischen überlegen: Reaktivierung der Wehrpflicht – warum eigentlich nicht? Möglich wäre es jedenfalls, denn ihre Aussetzung bedeutet ja nicht ihre Abschaffung. Jeder dritte Deutsche plädiert sogar für die Wiedereinführung.

Um Wehrpflicht zeitgemäß zu gestalten, muss sie sich jedoch fundamental ändern. Gast-Aufenthalte beim Technischen Hilfswerk, bei anderen Zivilschutz-Akteuren oder sozialen Diensten, mit denen die Bundeswehr Frieden und Stabilität sichert, könnten ein Pflichtjahr für Rekruten interessant machen. Eine modernere Ausgestaltung gehört dazu -- ohne Befehl zum T-Shirt-Falten.

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