Sigmar Gabriel im Porträt Vielflieger mit Lieblingsziel Zuhause

Berlin · Sigmar Gabriel wird an diesem Freitag, 27. Januar, als neuer neuer Außenminister vereidigt. Auf ihn wartet eine Weltkarte voller Krisen und Konflikte. Das G20-Treffen in Bonn dürfte ihm einen Vorgeschmack geben, welche schwierigen Verhandlungen vor ihm liegen.

 Treffen in Moskau: Wladimir Putin (links) und Sigmar Gabriel im Oktober 2015 im Kreml.

Treffen in Moskau: Wladimir Putin (links) und Sigmar Gabriel im Oktober 2015 im Kreml.

Foto: picture alliance / dpa

An Wochenenden wieder öfter zu Hause in Goslar. Davon träumt Sigmar Gabriel, wenn er an diesem Freitag, frisch vereidigt, an die Spitze des Auswärtigen Amtes rückt. So hat es der scheidende Bundeswirtschaftsminister erzählt, als er jetzt letztmals den Jahreswirtschaftsbericht vorlegte. Vermutlich wird dies an vielen Wochenenden für Gabriel tatsächlich ein Traum bleiben. Die Welt ist voller Krisen, Kriege und Konflikte. Und der deutsche Außenminister im permanenten Krisenbewältigungsmodus.

Frank-Walter Steinmeier, der insgesamt sieben Jahre Außenminister war, hat auf einer der jährlichen Botschafterkonferenzen in Berlin einmal verraten, dass das Flugzeug gewissermaßen sein Wohnzimmer auf Zeit geworden sei. An Wochenenden zu Hause? Jährlich 400.000 Flugkilometer legte er zurück. „Das ist ziemlich exakt die Strecke von der Erde bis zum Mond“, sagte Steinmeier. 80 bis 90 Reisen jedes Jahr. Wohl auch aus diesem Grund wählte Steinmeier für sein jüngstes Buch den Titel: „Flugschreiber.“ Untertitel: „Notizen aus der Außenpolitik in Krisenzeiten.“

Auf Nachfolger Gabriel warten jedenfalls zähe Verhandlungen mit widerspenstigen Partnern und Beratern unbelehrbarer Autokraten, wenn er jetzt die Rolle des deutschen Chefdiplomaten antritt. Schon beim Treffen der G-20-Außenminister am 16./17. Februar in Bonn könnte Gabriel einen Vorgeschmack erleben, wenn er auf US-Außenminister Rex Tillerson und seine Amtskollegen aus Russland, Sergej Lawrow, und der Türkei, Mevlüt Cavusoglu, trifft. Von Bonn aus zieht ein Teil der Karawane direkt weiter zur 53. Sicherheitskonferenz nach München.

Die USA sind zwar kein Krisenherd, sondern Führungsmacht der transatlantischen Allianz. Doch die von US-Präsident Donald Trump angekündigte Konzentration auf amerikanische Interessen und eine Absage an jeden Multilateralismus könnte eine Krise im Bündnis wie im Westen überhaupt auslösen. Zwischen Gabriel, dessen Temperament ihn nicht zum geborenen Diplomaten macht, und Tillerson, dem machtverwöhnten Ölmanager, gibt es auf jeden Fall Potenzial für Zoff. Ob Deutschland und die Europäer am Ende die Stirn haben, einer machtvollen Ankündigung der USA eine eigene selbstbewusste Position der Stärke entgegenzustellen, muss sich zeigen. Gabriel jedenfalls betritt wie Tillerson diplomatisches Neuland.

Russland ist ebenfalls kein Krisenstaat, der stabilisiert werden müsste, aber Schlüsselland zur Lösung verschiedener Kriege und Krisen. Ohne Russland, das Machthaber Baschar al-Assad in seinem Krieg gegen das eigene Volk militärisch entscheidend unterstützt hat, wird es in Syrien keinen Frieden geben.

Ohne Russland wird es nahezu unmöglich, den hybriden, weil niemals offiziell erklärten Krieg in der Ostukraine zu beenden. Und ohne Russland wäre auch das Abkommen mit dem Iran zur Eindämmung der nuklearen Ambitionen Teherans nicht möglich gewesen. Lawrow gilt als diplomatischer Hardliner und vertritt russische Interessen auch deshalb mit großer Härte, weil er sonst im präsidialen System als Außenminister untergehen würde. Ein Gespräch mit Lawrow ist kein leichter Gang. Gabriels Vorteil: Er ist als Vizekanzler und langjähriger SPD-Chef in Moskau wohlbekannt. Zuletzt genoss Gabriel im Oktober 2015 das Privileg eines persönlichen Gesprächs mit Putin.

China ist ebenfalls kein Krisenstaat, wird für Gabriel aber eine bedeutende Rolle spielen. Deutschland hat in Peking einen hohen Nimbus und gilt als der EU-Staat, den China wegen seiner Wirtschaftskraft und Zuverlässigkeit am meisten in Europa schätzt. Gabriel reiste schon als Bundeswirtschaftsminister mehrfach nach China und fängt aus Sicht Pekings zwar in einem neuen Amt, aber nicht als Novize an.

Die Türkei bleibt auch für einen Außenminister Gabriel Schlüsselstaat zur Lösung vieler Probleme, darunter die Flüchtlingskrise. Der Streit um die Visafreiheit für türkische Staatsbürger ist ungelöst. Zudem muss Gabriel deutliche Worte für die massenhafte Verhaftung Oppositioneller und den Eingriff in Bürgerrechte finden.

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