Hunderte Opfer Viele Tote bei Anschlägen von IS und Taliban in Afghanistan

Kabul · In Afghanistan eskaliert die Gewalt. Die Taliban nehmen Rache für US-amerikanische Militäroffensiven im Land, der IS tötet Schiiten, weil er sie für Abtrünnige hält.

 Trauerzug in der Nähe von Kabul. In Afghanistan geht eine besonders blutige Woche zu Ende.

Trauerzug in der Nähe von Kabul. In Afghanistan geht eine besonders blutige Woche zu Ende.

Foto: Rahmat Gul

Afghanistan erlebt eine besonders blutige Woche: Bei Anschlägen und Offensiven der radikalislamischen Taliban und der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sind zwischen Dienstag und Samstag knapp 250 Zivilisten und Sicherheitskräfte ums Leben gekommen.

Die Islamisten griffen Militärbasen und Sicherheitsposten, Bezirkszentren und Moscheen an. Beim jüngsten Anschlag riss ein Selbstmordattentäter in der Hauptstadt Kabul 15 Armee-Kadetten mit in den Tod. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Daulat Wasiri, sagte, der Angreifer sei zu Fuß unterwegs gewesen und habe sich am Tor der Marschall-Fahim-Militärakademie direkt neben einem Kleinbus mit den jungen Männern an Bord in die Luft gesprengt. Vier Menschen seien verletzt worden. Wenige Stunden später reklamierten die Taliban den Anschlag per Twitter-Mitteilung für sich.

Es war schon der zweite schwere Anschlag in Kabul innerhalb von 24 Stunden. Am Freitagabend hatte sich in einer schiitischen Moschee ein Selbstmordattentäter des IS in die Luft gesprengt. 56 Menschen starben, 55 wurden verletzt. In nur knapp zwei Monaten haben IS-Kämpfer damit insgesamt drei schiitische Moscheen in Kabul überfallen und dabei mindestens 94 Gläubige getötet.

Die sunnitischen IS-Extremisten halten Angehörige der schiitischen Konfession für Abtrünnige. Anders als in vielen muslimischen Ländern gibt es in Afghanistan keine Geschichte blutiger Fehden zwischen Sunniten und Schiiten. Aber seit dem Aufkommen des IS Anfang 2015 sind Schiiten - die meistens der ethnischen Minderheit der Hasara angehören - zunehmend Ziel von grausamen Angriffen. Wie an diesem Freitag kamen die Attentäter meistens an hohen Feiertagen oder während Freitagsgebeten, wenn die Moscheen besonders voll waren.

Der IS war 2017 aber auch noch für andere besonders brutale Anschläge in Kabul verantwortlich, darunter eine siebenstündige Schießerei in dem größten Militärkrankenhaus der Stadt mit Dutzenden Toten.

Bei einem zweiten Anschlag am Freitagabend auf eine sunnitische Moschee in der zentralafghanischen Provinz Ghor waren laut Polizei mindestens 33 Menschen getötet worden. Provinzratsmitglieder gehen davon aus, dass die Taliban hinter dem Anschlag stecken. Denn zu den Opfern gehörte auch ein erbitterter Gegner der Taliban: ein regierungstreuer Milizenkommandeur.

Die Taliban hatten erst am Freitag in einem Artikel auf einer ihrer Webseiten von einem Rachefeldzug für die stark verschärften Militäraktivitäten der USA gesprochen. Die neue Afghanistan-Strategie von US-Präsident Donald Trump sieht eine Wiederaufstockung der Truppen im Land um mehrere Tausend Mann vor, um die überforderten afghanischen Streitkräfte zu unterstützen. Ihre Luftangriffe gegen Taliban und IS haben die USA schon erheblich verstärkt. Am Dienstag und Donnerstag allein hatten die Taliban in Offensiven in sieben Provinzen mindestens 142 Sicherheitskräfte und Zivilisten getötet.

Die beiden Moscheeanschläge vom Freitag und der Anschlag auf den Bus mit Armee-Kadetten erhöhten dann die Gesamtzahl der Opfer von islamistischen Gewalttaten auf mindestens 249 in nur vier Tagen.

Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte die Anschläge auf die Moscheen. "Die perfiden Attacken in Ghor und Kabul richteten sich gegen Menschen, die in der Moschee ihre Religion ausüben wollten. Diese sinnlose Gewalt ist durch nichts zu rechtfertigen", hieß es in einer Mitteilung. Deutschland werde Afghanistan weiter beim Wiederaufbau und bei der Stabilisierung des Landes unterstützen.

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