Krieg in Afghanistan Trumps Rückzug vom geplanten Abzug

Washington · Der amtierende US-Präsident macht in Afghanistan künftig vieles, was auch sein Vorgänger Barack Obama probiert hat. Nur jetzt ohne Zeitbeschränkung.

Kein schneller Truppenabzug, sondern ein moderater Aufwuchs. Keine zeitliche Befristung des Einsatzes. Mehr Druck auf den Terrorbeschützer-Nachbarstaat Pakistan. Einbindung Indiens als Vermittler. Mehr militärische „Beinfreiheit“ für die US-Soldaten beim Kampf gegen die Taliban. Kein Demokratie-Aufbau, nur noch Terroristenjagd. Das sind die Kernbestandteile der „dramatisch neuen“ Strategie, mit der Donald Trump als dritter US-Präsident den bald ins 17. Jahr gehenden Krieg in Afghanistan angehen und „gewinnen“ will.

Bei Details und Zielen blieb Trump, der im Wahlkampf das Gegenteil in Aussicht gestellt hatte, nämlich den Totalabzug, vage und pauschal. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie sieht die Ausgangsposition aus?

Der Einsatz läuft seit Oktober 2001. Er ist eine Konsequenz aus den Terroranschlägen vom 11. September desselben Jahres. Die Drahtzieher um Al-Kaida-Chef Osama bin Laden agierten aus Afghanistan heraus. Seither sind mehr als 2400 US-Soldaten ums Leben gekommen. Insgesamt starben 150 000 Menschen. Die USA haben bisher über 800 Milliarden Dollar ausgegeben, vorwiegend für militärische Zwecke. Seit dem 2014 eingeleiteten Teilabzug des Westens haben die Taliban große Geländegewinne erzielt.

Auch der „Islamische Staat“ hat sich eine Basis geschaffen. Die Sicherheitslage ist in vielen Provinzen prekär. Zuletzt gab es regelmäßig verheerende Bombenanschläge. Die afghanische Armee ist trotz immenser Anstrengungen des Westens nicht in der Lage, eigenständig für Sicherheit zu sorgen. Die Regierung in Kabul gilt als zerstritten und korruptionsanfällig. Derzeit stehen 8500 US-Soldaten und knapp 5000 Kräfte anderer Bündnispartner im Land, darunter 1000 Bundeswehrsoldaten. Das Pentagon will in einem ersten Schritt 4000 US-Soldaten zusätzlich schicken.

Was ist neu bei Trump – oder hört sich neu an?

Abzugsdaten für Truppenkontingente, mit denen Obama zum Leidwesen seiner Generäle agierte, gibt es nicht mehr. Sie nützten nur dem Feind, sagte Trump, „wir wollen unberechenbar sein“. Ausschließlich die Zustände am Boden sollen über die Dauer des Engagements Amerikas bestimmen. Weil Trump die Erfolgskriterien nicht definiert hat, steht das Zeitfenster weit offen. „Mit dieser Ansage könnten wir auch noch in 20 Jahren vor Ort sein“, sagte ein Ex-General im US-Fernsehen.

Trump will Pakistan stärker in die Pflicht nehmen. Die Regierung in Islamabad soll diplomatisch und wirtschaftlich gezwungen werden, die Rückzugsräume der Taliban und des global kriminell aktiven Hakkani-Netzwerks in den Grenzregionen zu Afghanistan zu schließen. Die Regierung von Trumps Vorgänger Barack Obama hatte, wenn auch nicht so laut und öffentlich, nichts Anderes versucht. Mit wechselhaftem Erfolg. Mal gelangen konzertierte Kommandoaktionen im unwegsamen Swat-Tal, mal konnten Terroristen aus Pakistan unbehelligt in Kabul zuschlagen.

Wie Trump den hoch anfälligen Atomstaat zur Räson bringen will, ist Experten „schleierhaft“, zumal Washington Islamabads Erzfeind Indien stärker einbinden will, um Afghanistan wirtschaftlich nach vorn zu bringen.

Wie begründet Trump seine Wende?

Mit der Last und der Verantwortung des Präsidentenamtes. Um zu verhindern, dass Afghanistan wieder vollständig in die Hände von Terroristen fällt und wie vor 2001 ein Sicherheitsrisiko für Amerika wird, habe er seinen Instinkt, der ihm zum Truppenabzug geraten habe, ignoriert und auf die Empfehlungen seiner Top-Militärs gehört. Es soll sich nicht wiederholen, was 2011 nach dem übereilten Rückzug aus dem Irak geschah: der Aufstieg des „Islamischen Staats“.

Außerdem: Die USA benötigten am Hindukusch ein „ehrenvolles Ergebnis“, das der „gewaltigen Opfer würdig“ sei, die man dort erbracht habe. Ein symbolisch wichtiges Detail: John Kelly, Ex-General und jetzt Stabschef Trumps, hat in Afghanistan einen Sohn verloren. Schon darum, sagen Insider, war ein Totalabzug illusorisch.

Warum ist der Schwenk für Trump heikel?

Er hatte über Jahre massiv gegen den Krieg Front gemacht, die „Verschwendung“ von Milliardensummen beklagt, die Verantwortlichen in Kabul als „unzuverlässig und undankbar“ gebrandmarkt und den Totalabzug der US-Soldaten gefordert. Mit dieser Linie bestritt er auch den Wahlkampf. Mit der Rolle rückwärts geht der Präsident das Risiko eines weiteren Vertrauensverlustes ein. 60 Prozent der Amerikaner halten ihn für unglaubwürdig.

Trotzdem verkneift sich Trump das Pathos nicht. Er sei ein „Problemlöser“, sagte er in seiner Rede vor Militärs nahe des Soldatenfriedhofs Arlington, „wir werden diesen Krieg gewinnen“.

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