Zukunft des neuen US-Präsidenten Terminator Trump

Washington · Der designierte Präsident hat seine Partei gegen sich aufgebracht. Er hat gelogen und sich zahlreiche Fehltritte geleistet. Seine Anhänger aber standen unentwegt zu ihm. Wie er seine Zukunft als Staatschef sieht, bleibt noch offen.

Seine Wahlkampfveranstaltungen ließ Donald Trump 17 Monate lang meist so ausklingen: Die Rolling Stones spielten aus der Konserve „You Can’t Always Get What You Want” (Du kannst nicht immer alles haben, was Du willst). Am Wahltag wieder. Warum eigentlich? Als der 70-Jährige am Mittwochmorgen um 2.49 Uhr im großen Ballsaal des Hilton-Hotels in Midtown Manhattan im Tross seiner miteinander um die Wette strahlenden Familie ins Scheinwerferlicht trat, hatte er schließlich bekommen, was er wollte: den Schlüssel zur Macht. Er ist der 45. Präsident Amerikas.

Gegen alle Meinungsforscher, die kurz zuvor noch seiner Widersacherin Hillary Clinton die mit Abstand größeren Sieg-Optionen ausgerechnet hatten. Gegen alle Warnungen des militärisch-politisch-konservativen Komplexes, der Amerika und der Welt mit einem Trump im Weißen Haus schwere Turbulenzen prophezeit hatte. Gegen alle Erfahrung, die in den vergangenen 150 Jahren in den USA unberechenbare Radikale vom höchsten Staatsamt in letzter Minute ferngehalten hatte. Donald Trump war stärker. Viel stärker.

Jetzt steht er im Hilton. Da, wo schon John F. Kennedy am Wahlabend den Beifall entgegennahm. Trumps Fans kriegen sich vor Glückseligkeit nicht mehr ein. „Jetzt ist es an der Zeit, dass Amerika die Wunden der Spaltung heilt. Ich sage allen Republikanern, Demokraten und Parteilosen im ganzen Land, dass es nun an der Zeit ist, als geeintes Volk zusammenzukommen.“ Versöhnende Worte, gesprochen von einem Mann, der sich als Zerstörer hervortat.

Als Donald J. Trump, der Nachfahre wackerer Einwanderer aus Kallstadt in der Pfalz, im Juni 2015 seine Kandidatur ankündigte, nahm ihn kaum jemand ernst. Die Satirezeitung „The Onion“ presste die Vergeblichkeit seines Tun in den bösen Slogan: „Ich mache das von nun an alle vier Jahre, bis ich sterbe.“ Trump lebt. Er hat es allen gezeigt.

Der eigenen Partei hat er sich angenähert wie ein Pirat einem arglos in der Lagune dümpelnden Dreimaster. Als die 16 Crew-Mitglieder, die Rivalen im Vorwahlkampf, von Bord geekelt waren, übernahm Trump das Ruder. Sein Zickzack-Kurs, ein Gemisch aus Verschwörungstheorie, Fremdenfeindlichkeit, Isolationismus und Demagogie, verursachte bei den Parteigranden Übelkeit. Aber da war Trump längst am Horizont verschwunden. Wissend, dass seine Anhänger für ihn über jede Planke gehen würden.

Die Medien hat sich Trump mit einer Chuzpe Untertan gemacht, die noch auf Jahre die Publizistik-Lehrstühle beschäftigen wird. Obwohl er das Gros der Berichterstatter tagein, tagaus als verlogenes Pack abkanzelte, warfen ihm CNN, Fox News, NBC etc. Sendeminuten im Wert von über zwei Milliarden Dollar hinterher. Überprüfung der Wahlaussagen? Mangelware. Den Rest der Wähleransprache erledigte der Unternehmer über Twitter. Weltinnenpolitik in 140 Zeichen. 13 Millionen Anhänger lasen es mit Wonne.

Niemand hielt ihn auf. Nichts konnte seine Unterstützer ins Grübeln bringen. Nicht die ungezählten Enthüllungen, Lügen und Fehltritte. Nicht die Tatsache, dass sich Hunderte renommierte Politiker aller Lager, Wirtschaftsbosse, Showstars, Schriftsteller, 60 ehrbare Zeitungen, ja sogar der Papst, in Wort und Schrift gegen ihn stellten. An Teflon-Trump blieb nichts hängen.

Der Kandidat spielte in einer Liga, die Fouls belohnt, nicht straft. Je größer der Protest gegen ihn, desto höher in Trumps Wagenburg die Zinnen. Seine glühendsten Fans sehen in ihm einen Robin Hood in Nadelstreifen. Einer, der Washington und Wall Street die Dollars abknöpft und sie wie Manna über den amerikanischen Geisterstädten der Globalisierung niederregnen lässt.

Welchen Trump Amerika und die Welt jetzt erleben werden, weiß niemand. Sein Sternkreiszeichen müsste das Chamäleon sein. Mittags das Gegenteil von dem zu behaupten, was man morgens gesagt hat, um es abends auf die Spitze zu treiben, das ist seine Masche. Man kann den Menschen alles weismachen, steht in einem seiner Bücher, man muss es nur oft genug wiederholen. Darum die lynchjustizhysterischen „Sperrt sie ein! Sperrt sie ein!“-Chöre, wenn Trump im Wahlkampf versprach, dass er Clinton wegen ihrer E-Mail-Affäre hinter Gitter stecken werde. Er müsste jetzt liefern. Ob er es tut?

Trump ist ein wandelndes Pro & Contra

Zwischen 1999 und 2012 wechselte Trump fünfmal die Parteizugehörigkeit, war mal für, mal gegen Abtreibung, mal für und gegen die Homo-Ehe, mal für und gegen den Irak-Krieg. Trump ist ein wandelndes Pro & Contra. „Man muss unberechenbar bleiben“, sagt er. Einreise-Verbot für Muslime? Abschiebung von elf Millionen Illegalen? Strafzölle für US-Firmen, die im Ausland produzieren? Eine Art Bezahlschranke für Nato-Mitglieder? Meint er es wirklich ernst? In Trumps eigenen Worten: „Alles ist verhandelbar.“ Nur mit wem?

Seine Regierungsmannschaft hat noch keine verlässlichen Konturen. Männer von gestern wie Chris Christie, der Gouverneur aus New Jersey, und Rudy Giuliani, Ex-Bürgermeister von New York und seit Wochen als antimuslimischer Hassprediger unterwegs, werden gehandelt. Danach kommt lange nichts. Bis zur Amtseinführung am 20. Januar muss Trump auch sein Verhältnis zum Kongress klären. Die Republikaner haben zwar in beiden Kammern des Parlaments bis 2018 die Mehrheit. Viele der Politiker waren allerdings zumindest bis Dienstag erbitterte Gegner Trumps.

Das kann dessen Neigung zum Terminator-ähnlichen Durchregieren bremsen. Es kann aber auch zu einem strammen Schulterschluss zwischen Exekutive und Legislative führen, bei dem im Eiltempo abgeräumt wird, was den Konservativen seit Langem ein Dorn im Auge ist: die Krankenversicherung „Obamacare“ etwa, der Atom-Deal mit dem Iran, das Klimaschutzabkommen von Paris und vieles mehr. Trump will, so viel steht fest, Amerika nach innen und außen nicht reformieren, sondern umkrempeln. Auf wessen Rat er da hört? „Ich spreche als erstes mit mir. Ich habe einen sehr guten Kopf“, hat der künftige Präsident Amerikas auf diese Frage einmal geantwortet. Ab sofort wird die ganze Welt sehr genau hinhören, wenn sich Trump mit sich selbst unterhält.

Und Clinton?

In ihrer an Rückschlägen wie Beispielen des Wiederaufbäumens reichen Biographie markiert diese Nacht vom 8. auf den 9. November 2016 eine Zäsur. First Lady. Senatorin. Außenministerin. Hochbezahlte Vortragsrednerin. Buchautorin. Mächtige Power-Brokerin für die Belange für Mädchen und Frauen weltweit. Und zuletzt zweifache Großmutter. All das hat, mit Tiefen zwar, am Ende immer geklappt. Der Griff ganz nach oben, das Durchbrechen der sprichwörtlichen Glasdecke, die hoch qualifizierte Frauen vom Top-Job der westlichen Welt fernhält, aber ging ins Leere.

Zweimal weibliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Einmal verlor sie gegen Barack Obama, einmal gegen Trump. Ein drittes Mal wird es nicht geben. Trump hat ihren wichtigsten Leitsatz zertrümmert: „Wandel entsteht nicht durch Glauben oder durch eine große Rede. Wandel kommt nur durch harte Arbeit zustande.“ Irrtum. Wandel kommt auch durch gnadenloses Hetzen, Polemisieren, Dämonisieren.

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