Kommentar zum Gipfel in Kasachstan Syrisches Wirrwarr

Meinung | Moskau · Von einem friedlichen Miteinander bei den syrischen Friedensgesprächen in Astana kann bisher keine Rede sein. Die Verhandlungsrunde strotzt vor Ambitionen, Widersprüchen und Lücken, ihre Vermittler sind alles andere als harmonisch. Ein Kommentar von Stefan Scholl.

 Bemühungen um Frieden: Die Teilnehmer der Syrien-Gespräche in Astana.

Bemühungen um Frieden: Die Teilnehmer der Syrien-Gespräche in Astana.

Foto: dpa

Wirklich friedlich ging man bisher nicht miteinander um, bei den syrischen Friedensgesprächen in der kasachischen Hauptstadt Astana. Baschar al Dschafari, der Leiter der Regierungsdelegation, beschimpfte Mohammed Allusch, den Chefunterhändler der Rebellen, als Vertreter von Terroristen, der die Verhandlungen platzen lassen wolle. Die Bürgerkriegsgegner weigerten sich, direkt miteinander zu reden. Da war es schon ein Erfolg, dass sie sich fürs Protokoll in einem Saal fotografieren ließen. Und dass die Veranstalter Russland, Türkei und Iran keine Friedensvereinbarung zwischen den Bürgerkriegsparteien anvisiert haben, sondern eine Übereinkunft über eine Festigung des Waffenstillstands. Ein bescheiden klingendes Ziel.

Dabei hatte gerade Russland Astana als völlig neue Verhandlungsplattform ausgelobt, als Konkurrenzformat zu den von den UN veranstalteten Syriengesprächen in der Schweiz. Eventuell könne sich die Runde in Astana ja zu einer Arbeitsgruppe für eine neue syrische Verfassung mausern, hieß es. Aber als Verhandlungsprozess schleppt Astana außer der Spinnefeindschaft zwischen Regime und Rebellen noch viele andere Pferdefüße mit sich. Denn viele wichtige militärische und politische Akteure fehlen. Mehrere Rebellenverbände blieben fern, die Teilnahme der kampfstarken kurdischen Milizen scheiterte an der Türkei, die Iraner wollten keine amerikanischen Unterhändler sehen. Die USA verzichteten aber auch so auf deren Entsendung. Nur ihr Botschafter in Kasachstan nimmt als Beobachter teil, die Golfstaaten hatte man erst gar nicht eingeladen.

Blieben als Vermittler zum einen die schiitischen Iraner, die laut Moskauer Beobachtern selbst am liebsten weiter Krieg führten, bis alle sunnitischen Aufständischen im Nachbarland besiegt sind. Zum anderen die Russen selbst, die trotz ihrer Parole, sie veranstalteten in Syrien einen Feldzug gegen den Islamischen Staat, vor allem sunnitische Anti-Assad-Kämpfer bombardiert haben. Zum dritten gesellt sich die Türkei dazu, die sich eine Einflusszone im Norden Syriens sichern möchte, mit den Sunniten sympathisiert, aber nicht mehr auf dem Sturz Assads besteht.

Ein Wirrwarr paralleler, sich streifender, aufeinander prallender Interessen. Ankara möchte sich dem Westen zudem als Regionalhegemon demonstrieren, ohne den Europa seine Flüchtlingsprobleme nicht lösen kann. Russland strebt noch globalere Ziele an, will vor allem Donald Trump mit einer syrischen Konfliktlösung beeindrucken – und endlich die Ukraine-Sanktionen loswerden. Diese Verhandlungsrunde strotzt vor Ambitionen, Widersprüchen und Lücken, ihre Vermittler sind alles andere als harmonisch. Aber sollte doch ein stabilerer Waffenstillstand dabei herauskommen, hat Astana mehr erreicht als alle Syrien-Friedensgespräche zuvor.

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