Amoklauf Russland sucht nach Hintermännern des Krim-Schulmassakers

Kertsch · Die Halbinsel Krim trauert um erschossene Schüler und Lehrer. Russland hat erstmals einen so fürchterlichen Amoklauf an einer Schule erlebt. Doch war der Schütze wirklich nur ein Einzeltäter?

 Russland macht gewohnheitsgemäß die Ukraine für alle Anschläge oder Notfälle auf der Krim verantwortlich.

Russland macht gewohnheitsgemäß die Ukraine für alle Anschläge oder Notfälle auf der Krim verantwortlich.

Foto:  AP

Nach dem Schulmassaker auf der Krim mit vielen Toten suchen russische Ermittler nach Motiven und möglichen Komplizen des Todesschützen.

Mit dem Tod eines schwer verletzten Mädchens stieg die Zahl seiner Opfer bis Donnerstagmittag auf 20, wie das russische Gesundheitsministerium in Moskau bestätigte.

Nach ersten Angaben der Ermittler hatte der mutmaßliche Täter, ein 18-jähriger Elektriker-Lehrling, am Vortag in seiner Berufsschule in der Stadt Kertsch um sich geschossen und mindestens einen Sprengsatz gezündet. Dann habe er sich selbst erschossen. Das Vorgehen war vergleichbar mit Amokläufen in Schulen in den USA wie in Columbine 1999. Für Russland ist es der erste derart folgenschwere Vorfall.

"Die Tragödie gestern ist auch ein Ergebnis der Globalisierung, so merkwürdig das klingt" sagte Präsident Wladimir Putin in Sotschi. "Alles hat mit den bekannten tragischen Ereignissen in Schulen der USA begonnen." Der Kremlchef sagte, offenbar gebe es nicht genügend "interessante und hilfreiche Inhalte" für junge Menschen im Netz. "Deshalb greifen sie zu diesem Terrorismus-Ersatz."

Auf der Krim herrschte offiziell Trauer. Menschen legten an der Schule Blumen für die Opfer nieder. "Die Aufgabe ist festzustellen, wer ihn auf dieses Verbrechen vorbereitet hat", sagte der Regierungschef der Krim, Sergej Aksjonow, am Donnerstag am Tatort. "Hier hat er allein gehandelt. (...) Aber bei der Vorbereitung, das ist meine Meinung und die meiner Kollegen, kann dieser Schuft nicht allein gewesen sein", sagte Aksjonow der Agentur Interfax zufolge.

Die Tatwaffe, ein Repetiergewehr, hatte sich der Berufsschüler nach seinem 18. Geburtstag legal beschafft, wie Aksjonow sagte. Er habe sich mit etwa 150 Schuss großkalibriger Schrotmunition versehen. Die Angaben zur Tatwaffe gingen in russischen Medienberichten auseinander. Die Rede war entweder von einer Molot-Bekas russischer Produktion oder einer Hatsan Escort aus der Türkei.

Der Täter wurde von Bekannten als unauffälliger Einzelgänger beschrieben. Es werde posthum ein psychiatrisches Gutachten über ihn erstellt, teilte das Staatliche Ermittlungskomitee am Donnerstag mit. Bislang seien mehrere Wohnungen des mutmaßlichen Schützen und seiner Angehörigen durchsucht worden. Die Schulleiterin sei vernommen worden, die Befragung anderer Zeugen dauere an. Die Behörde war nach den ersten Nachrichten aus Kertsch von einem Terrorakt ausgegangen, stuft die Tat aber nun vorläufig als Mord ein.

Die Ermittler behielten einen möglichen extremistischen Hintergrund indes im Blick, berichtete die Zeitung "Kommersant" am Donnerstag. Dabei gehe es weniger um Islamismus als um mögliche Verbindungen zu radikalen ukrainischen Gruppen wie dem Rechten Sektor oder der UNA-UNSO. Sie könnten den 18-Jährigen angestiftet haben.

Russland macht aber gewohnheitsgemäß die Ukraine für alle Anschläge oder Notfälle auf der Krim verantwortlich. Es hat sich die ukrainische Halbinsel 2014 einverleibt und als "Heimholung" des mehrheitlich russischsprachigen Gebiets gerechtfertigt. Die Ukraine sieht die Krim weiter als ihr Staatsgebiet an. Bis auf wenige Ausnahmen lehnen auch andere Staaten die Annexion als völkerrechtswidrig ab. Das Parlament der Ukraine in Kiew gedachte am Donnerstag mit einer Schweigeminute der Opfer.

Die Regierung der Krim veröffentlichte am Donnerstagmorgen eine erste offizielle Liste der Todesopfer. Etwa 40 Verletzte wurden noch in Krankenhäusern behandelt.

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