FPÖ-Chef im Porträt Strache plant Aufstieg vom rechten Rand zum Vizekanzler

Wien · Heinz-Christian Strache, Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), will sich von seiner zwielichtigen Vergangenheit lösen. Nun setzt er auf Diplomatie, Maß und Mitte.

 Chef der österreichischen FPÖ-Partei: Heinz-Christian Strache. (Archivbild)

Chef der österreichischen FPÖ-Partei: Heinz-Christian Strache. (Archivbild)

Foto: AFP

Zeltlager mit Neonazis, Mitgliedschaft in einer deutschnationalen Burschenschaft sowie paramilitärische Wehrsportübungen im Wald: Jugendsünden, sonst nichts, sagt Heinz-Christian Strache, heutiger Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ).

Seine Vergangenheit am äußersten rechten Rand soll in diesen Tagen keine Rolle spielen – wo doch der Triumph bei der Nationalratswahl am Sonntag, der Strache zum Vizekanzler machen könnte, gebührend zelebriert werden muss. Auseinandersetzungen mit seinen Widersachern auf dem Weg dorthin möchte er heute nicht etwa mit stumpfen Waffen – wie zu seiner Zeit als Mitglied einer schlagenden Burschenschaft – ausfechten.

In diesen Tagen setzt der FPÖ-Chef auf Diplomatie, Maß und Mitte – zumindest ist der Ton des einstigen Polterers moderater als 2010, als er mit Parolen wie „Daham statt Islam“ auf Wählerfang ging. Diese Kursänderung hat seine Partei zur drittstärksten Kraft in Österreich aufsteigen lassen – sie rangiert nur wenige Prozentpunkte hinter der triumphierenden Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der nun geschlagenen Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ).

Punktet mit Thema Einwanderung

Dabei lag die FPÖ 2005 nach dem Weggang der Galionsfigur Jörg Hai-der am Boden. Dass ausgerechnet dessen Ziehsohn Strache der Partei zu neuer Stärke verhelfen sollte, hat verschiedene Gründe.

Beim Wahlvolk punktete der 48-Jährige vor allem mit dem Thema Einwanderung. Sein erstes Projekt wäre der „Stopp der unkontrollierten Massenzuwanderung“, sagte Strache kurz vor der Wahl.

Zudem profitierte er von der öffentlich ausgetragenen Schlammschlacht zwischen der ÖVP und der SPÖ – die Wähler wollten einen politischen Neuanfang.

Hinzu kommt eine Internetstrategie, die jener der AfD in Deutschland ähnelt. Seit Jahren setzt Strache – lange vor seinen politischen Mitstreitern – auf Facebook. Die Partei hat sich ein kleines Medienimperium samt eigenem „FPÖ-TV“ aufgebaut. In sozialen Medien ist der Auftritt finessenreicher geworden. Noch 2012 postete Strache eine antisemitische Karikatur, die für Aufregung sorgte.

Vorwürfe lassen nicht nach

Ein dicker Banker wird darin mit Hakennase und Davidstern auf den Manschettenknöpfen von einem Regierungsbeamten gefüttert, während eine magere Gestalt als Volk hungern muss. Heute setzt Strache, der im Vorjahr zum zweiten Mal heiratete, auf professionell gedrehte Videos mit Witz und Ironie – und das mit größtem viralen Erfolg. So will die FPÖ einen Weg vorbei an den klassischen Medien finden. Die haben die Partei nach Ansicht der FPÖ häufig unfair behandelt.

Obwohl „HC“, so Straches Spitzname, gebetsmühlenartig betont, dass er kein Antisemit ist, lassen die Vorwürfe gegen ihn nicht nach. Vor Kurzem veröffentlichte eine Gruppe KZ-Überlebender eine Liste mit mehreren antisemitischen Vorfällen, in die nach ihren Angaben FPÖ-Vertreter verwickelt waren.

Und auch wenn sich die FPÖ von Antisemitismus distanziert, so sind ihre Slogans doch zumindest offen islamfeindlich. „Nein, der Islam gehört nicht zu Österreich“, sagte Strache kürzlich bei einem Auftritt in Jeans und Lodenjacke während einer Wahlkampfveranstaltung.

Für viele FPÖ-Anhänger ist Strache das Gegenstück zu Merkel, deren „Willkommenskultur“ Europa zerstöre und die er selbst als „gefährlichste Frau Europas“ bezeichnete. Die FPÖ konnte die unter Sebastian Kurz nach rechts gerückte ÖVP bei der Wahl allerdings nicht gefährden – obwohl Strache sich gerne selbst als „Vordenker“ in der Flüchtlingsfrage darstellte. Seinen Traum, Kanzler zu werden, musste er aufgeben – ein neuer Anlauf folgt bestimmt.

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