Mögliche Kündigung des INF-Abkommens So reagiert Russland auf Trumps Drohung

Moskau · Seit 1988 ist es den USA und Russland verboten, landgestützte Atomraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern aufzustellen. Nun hat US-Präsident Donald Trump damit gedroht, das entsprechende Abkommen zu kündigen.

Russisches Drohpotenzial: Atomwaffenfähige Raketen bei einer Militärparade in Moskau.

Russisches Drohpotenzial: Atomwaffenfähige Raketen bei einer Militärparade in Moskau.

Foto: picture alliance / dpa

Donald Trumps Verzicht auf das Abkommen zeuge von wenig Verstand, sagte der sowjetische Expräsident Michail Gorbatschow am Sonntag. Er hatte den INF-Vertrag vor 31 Jahren gemeinsam mit Ronald Reagan unterzeichnet. „Washingtons Drang, die Abrüstungspolitik zurückzudrehen, darf niemand unterstützen, das muss jetzt nicht nur Russland klar machen, sondern jeder, dem der Frieden teuer ist.“

Moskau reagiert einerseits empört auf Donald Trumps Ankündigung, die USA wollten den INF-Vertrag kündigen (INF: „Intermediate Range Nuclear Forces“, zu Deutsch: nukleare Mittelstreckensysteme). Andererseits wirkt es nicht besonders überrascht. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte am Montag, solcherlei Schritte machten die Welt gefährlicher.

Außenminister Sergei Lawrow aber bezeichnete Trumps Ankündigung als Absicht, eine Entscheidung des US-Präsidenten habe er noch nicht gesehen. „Jetzt im Kaffeesatz zu lesen, ist wenig produktiv.“ Ein Hinweis auf den laufenden Besuch des US-Sicherheitsberaters John Bolton in Moskau. Bolton verhandelte am Montag mit dem Sekretär des russischen Sicherheitsrates Nikolai Patruschew. Hinterher verlauteten beide Seiten knapp, man habe außer über Syrien, Nordkorea und Terrorismusbekämpfung auch über Rüstungsvereinbarungen gesprochen. Boltons heutiges Treffen mit Wladimir Putin wird vermutlich mehr Gesprächsstoff liefern.

Putin selbst hatte schon vergangene Woche zu verstehen gegeben, Russland sei für alle Fälle gewappnet. „Wenn unsere amerikanischen Partner den Wunsch hegen, das Abkommen zu verlassen, wird unsere Antwort momentan und spiegelbildlich sein.“

Bluff oder Ernst?

Viele Beobachter in Moskau vermuten, Trump bluffe mit dem angekündigten INF-Ausstieg oder er pokere zumindest. Die Zeitung „Kommersant“ zitiert mehrere „militärisch-diplomatische Quellen“, die vermuten, Trump wolle mit seiner Ankündigung den Einsatz in die Höhe treiben, danach aber würden die USA doch verhandeln. „Die Amerikaner müssen Rücksicht auf ihre europäischen Verbündeten nehmen, denn eben diese würden ins Visier russischer Kurz- und Mittelstreckenraketen geraten.“

Der Moskauer Militärexperte Viktor Litowkin aber sagte unserer Zeitung, Trump wolle den Vertrag wirklich kippen: „Er hat der heimischen Rüstungsindustrie mehr Aufträge versprochen. Außerdem will er ein neues Wettrüsten mit Russland in der Hoffnung, dass dabei wie einst die Sowjetunion wirtschaftlich zusammenbricht.“ Und schließlich würden ja die Mittelstreckenraketen, die Russland als Antwort stationieren müsse, auf Europa zielen. „Damit will Trump das Verhältnis zwischen den europäischen Ländern und Russland weiter verschlechtern.“

Das INF-Abkommen untersagt Russen wie Amerikanern seit 1988, landgestützte Atomraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern aufzustellen. Es führte zur Verschrottung von 846 amerikanischen und 1846 sowjetischen Atomraketen. Aber seit Jahren werfen sich beide Seiten vor, den Vertrag zu brechen. Die USA meldeten 2014 mehrere russische Tests neuer Mittelstreckenraketen. Anfang 2017 verkündeten sie, Russland habe bereits zwei Bataillone mit nuklearen 9M729-Raketen ausgerüstet, deren Reichweite nach Einschätzung amerikanischer Experten bei 2000 bis 2500 Kilometer liegt.

Gegenseitige Kontrollen durch Vertrag

Moskau versichert, es gäbe keine solchen Raketen. Seinerseits wirft der Kreml den Amerikanern vor, sie nutzten bei den Tests ihrer Antiraketensysteme verbotene Pershing-II-Flugkörper als Zielobjekte. Vor allem aber installieren nach russischen Aussagen die Amerikaner für ihr Antiraketenschild in Rumänien und Polen Aegis-Ashore-Systeme mit Abschussrampen, von denen man auch seegestützte Tomahawk-Flugkörper mit einer Reichweite bis 2500 Kilometer abfeuern könne.

Aber nach Ansicht von Fachleuten ist es waffentechnisch für beide Seiten kein Problem mehr, Abschussrampen für solche Raketen auch am Boden oder auf Lkw zu installieren. Oder taktische Raketen aufzurüsten, wie etwa die russischen Iskander-M-Raketen, die 480 Kilometer weit fliegen können. „Dafür reicht ein größerer Treibstofftank“, sagt Militärexperte Litowkin. „Die Nordkoreaner haben so die Reichweite alter Sowjetraketen erheblich vergrößert.“ Allerdings müsse das Raketensystem auch entsprechend neu programmiert werden, was den Nordkoreanern nicht gelungen sei. Amerikaner und Russen dürften weniger Probleme damit haben.

Der INF-Vertrag aber habe auch regelmässige gegenseitige Kontrollen und Konsultationen sichergestellt, sagt Litowkin. „Das Vertrauen zwischen beiden Seiten droht, sich immer mehr Richtung Nullpunkt zu bewegen.“

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