Griechenland Schlussstrich am Sonntag

STRASSBURG · Die Euro-Partner stellen der Führung in Athen ein Ultimatum. Ministerpräsident Tsipras hat auch den letzten Fürsprecher verloren und will nun die Auflagen erfüllen

Es ist ein Ultimatum. Von vielen letzten die allerletzte Chance. "Sonntag wird so oder so ein Schlussstrich gezogen", hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Abschluss des Sondergipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs in der Nacht zum Mittwoch gesagt. "Wir haben ein Grexit-Szenario ausgearbeitet." Wenige Stunden später wiederholte auch EU-Ratspräsident Donald Tusk in einer für ihn unbekannten Schärfe vor dem Europäischen Parlament: "Bis Sonntag - und keinen Tag länger."

Als die Staats- und Regierungschefs nur wenige Stunden zuvor auseinandergingen, spiegelten sich Verbitterung und Entschlossenheit in den Gesichtern. "Sie sehen mich hier nicht ausgesprochen optimistisch", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Frankreichs Staatspräsident François Hollande, der stets moderate Töne angeschlagen hatte, wurde ebenfalls deutlich: "Es gibt nicht drei Optionen, sondern zwei: In der Euro-Zone zu sein oder nicht".

Doch es blieb nicht nur bei Worten, die Euro-Familie verpasste dem griechischen Premierminister Alexis Tsipras einen straffen Zeitplan, um Auflagen zu erfüllen: Bis Mittwoch muss die offizielle Bitte um Hilfen aus dem ESM-Rettungsschirm eingereicht werden, was auch geschah. Heute sollen Vorschläge für Reformen vorliegen, die dann an die Geldgeber gehen. Samstag tagt die Eurogruppe. Sind die Finanzminister zufrieden, kommen am Sonntag alle 28 Staats- und Regierungschefs zusammen, um endgültig zu entscheiden. Ein hoher EU-Diplomat: "Wenn die den Daumen senken, ist Athen am Montag aus dem Euro draußen."

Soviel Druck schien Tsipras beeindruckt zu haben. Als der Premier gestern Morgen in Straßburg vor die Europa-Parlamentarier trat, zeigte er sich durchaus einsichtig: "Wir sind fest entschlossen, keine Konfrontation mit Europa zu betreiben, sondern mit dem Establishment in unserem Land." Denn das sei schuld an Korruption, Vetternwirtschaft und Klientelismus - wie auch die Vorgänger-Regierungen. Gleichzeitig kündigte er an, was parallel dazu in Brüssel einging: Athen beantragte offiziell Hilfen aus dem ESM-Krisenfonds der Währungsunion. Angeblich will das Land 52 Milliarden Euro bis 2018. Weil die Genehmigungsprozedur Wochen dauern kann, da auch die nationalen Parlamente zustimmen müssen, dürfte eine Überbrückungshilfe unausweichlich sein. Tsipras: "Ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden zwei oder drei Tagen in der Lage sein werden, den Verpflichtungen nachzukommen."

Doch der Auftritt des Premiers blieb nicht ohne Eklat. "Ich dachte, dass Sie sich entschuldigen", ging der Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Mehrheitsfraktion, Manfred Weber (CSU), den Griechen hart an. Angesichts der Drohungen und Beschimpfungen in den zurückliegenden Wochen habe man da einiges erwartet.

Und dann folgte eine Attacke nach der anderen. Weber: "Wie können Sie den Bulgaren erklären, dass Griechenland weitere Kürzungen nicht aushalten kann, obwohl der Mindestlohn in fünf Euro-Staaten geringer ist?" Tsipras schrieb fleißig mit, verwies in seiner Antwort auf "die Medien", die versucht hätten, "zu terrorisieren, indem sie sagten, ein Nein im Referendum bedeute eine Spaltung Europas." Aufruhr und Buh-Rufe. Die Atmosphäre war selten so gereizt, aber auch selten so klar: "Wir haben alle Planungen für den Fall eines Grexits abgeschlossen", wiederholte Juncker seinen Satz aus der Nacht und gab damit seine Linie der Annäherung und Verbrüderung mit Tsipras auf. Über der Parlamentssitzung thronte Präsident Martin Schulz mit versteinertem Gesicht. Auch er hatte den Regierungschef zunächst integrieren wollen und war immer wieder vor den Kopf gestoßen worden.

Der Premier hat seine letzten Freunde und Fürsprecher verloren - Europa steht gegen ihn. Es bleiben nur noch vier Tage, um das bis Sonntag zu ändern.

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