Roms Protokollchefin Ilva Sapora Sündenbock Nummer eins

Rom · Fast wäre die Karriere von Ilva Sapora ohne Aufsehen zu Ende gegangen. Die Protokollchefin von Ministerpräsident Matteo Renzi geht 2017 in Pension. Dann kam zu Beginn der Woche Irans Präsident Hassan Ruhani nach Rom.

 Ilva Sapora, Protokollchefin der Stadt Rom.

Ilva Sapora, Protokollchefin der Stadt Rom.

Foto: dpa

Anlässlich seines Treffens mit Renzi im römischen Kapitol und der Unterzeichnung milliardenschwerer Wirtschaftsverträge hatten eifrige Funktionäre die nackten Marmorstatuen in den kapitolinischen Museen hinter Sperrholzplatten verstecken lassen, angeblich um die religiösen Gefühle des Schiiten nicht zu verletzen. Und seither hat die 64 Jahre alte Signora Sapora keine Ruhe mehr.

Zu verdanken hat sie das nicht nur einem „Übereifer“, den Premier Renzi bei den Verantwortlichen der Maßnahme feststellte. Sapora ist auch Opfer einer Reihe von beinahe als todesmutig zu bezeichnenden Politikern, die sich nun einer nach dem anderen von der Prüderie distanzieren. Angesichts des Shitstorms internationaler Medien, die die Verleugnung der klassischen Kultur beklagen, brachte sich als erster Kulturminister Dario Franceschini in Sicherheit, indem er sagte, er habe nichts mit der Sache zu tun.

Nicht nur Renzi und Außenminister Paolo Gentiloni distanzierten sich ebenfalls, sondern auch die für die Museen zuständige Kulturbehörde sowie die Stadtverwaltung. Der italienische Verbraucherverband erstattete eine Anzeige wegen „schwerer Schäden an Ehre und Image der Stadt Rom und ganz Italiens“.

Nach einhelliger Meinung der Beschützer der klassisch-okzidentalen Kultur war der Fauxpas und die liederliche Verhüllung der halbnackten kapitolinischen Venus allein Saporas Schuld. Die Protokollchefin versteckt sich seither hinter überdimensionalen Sonnenbrillengläsern und geht nicht ans Telefon. Jetzt wird in ihrer Vergangenheit gewühlt. Ihre Neider im Palazzo Chigi, dem Sitz des Ministerpräsidenten in Rom, behaupten, die Dame, die seit 2001 im Dienste der Republik ist, habe nie die notwendigen Qualifikationen für den Job gehabt.

Sie sei eine „raccomandata“, eine von einflussreichen Männern Empfohlene. In ihrem Lebenslauf ist zu lesen, dass Sapora im Englischen nur Basiskenntnisse habe, im Französischen immerhin mittlere Fähigkeiten. Eine der wichtigsten Fremdsprachen kaum mächtige Protokollchefin, deren Aufgabe die Vorbereitung internationaler Begegnungen ist, wirft auch ein schlechtes Licht auf ihre Chefs.

Die Verhüllungs-Affäre zieht Kreise. So seien die fünf bei der Begegnung im Kapitol anwesenden Aufseher per Los ausgewählt worden, Frauen waren dabei nicht erwünscht. Weitere angebliche Verfehlungen Saporas werden kolportiert. So sei bei einem Mittagessen mit dem kuwaitischen Premier anlässlich des Verkaufs von Kampfflugzeugen der maßgebliche General, der den Vertrag unterschrieben habe, nicht eingeladen worden.

Böse Zungen machen sich über eine Rauferei unter den Mitgliedern des Stabs von Premier Renzi anlässlich einer Reise nach Saudi-Arabien lustig. Das saudische Regime habe mit einigen, aber offenbar nicht mit ausreichend vielen Rolex-Uhren als Gastgeschenk aufgewartet. Die unbestechlichen Italiener prügelten sich dann um die kostbaren Exemplare. Saporas Schuld? Wohl kaum.

Wie nun aus der iranischen Delegation verlautete, hätte Präsident Ruhani gar nichts gegen die Nackedeis gehabt. Das einzige, was er fürchtete, seien Fotoaufnahmen mit ihm und im Hintergrund entblößten Marmorbrüsten gewesen, die dann in der Heimat für Verstimmung gesorgt hätten. Todesmutig, diese Staatsmänner.

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