Vorwurf: Bestechlichkeit Russlands Ex-Wirtschaftsminister Uljukajew muss in Haft

MOSKAU · Russlands Ex-Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew ist wegen Bestechlichkeit zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Ein porträt über einen "sonderbaren Schuldigen".

Vor der Urteilsverkündung brachte man Alexei Uljukajew einen Strauß weißer Rosen. „Von einer Verehrerin“, sagte sein Anwalt. „Hauptsache, meine Frau erfährt nichts davon“, antwortete der Angeklagte schwach lächelnd. Eineinhalb Stunden später lächelte Uljukajew nicht mehr.

Gerade hatte die Richterin den 61-Jährigen wegen Bestechlichkeit zu acht Jahren Haft unter verschärften Bedingungen verurteilt und eine Geldstrafe von umgerechnet knapp 1,9 Millionen Euro verhängt. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe von umgerechnet rund sieben Millionen Euro gefordert. Noch im Gerichtssaal wurde Uljukajew, der bislang unter Hausarrest stand, festgenommen. Seine Verteidigung kündigte Rechtsmittel an.

Uljukajew ist ein sonderbarer Schuldiger. Der frühere Wirtschaftsminister, Russlands erster Minister hinter Gittern, soll von Igor Setschin, Chef des größten Ölkonzerns Russlands, Schmiergeld in Höhe von zwei Millionen Dollar für seine Unterstützung beim Kauf der Ölfirma Baschneft gefordert haben – allerdings schon nach dem Geschäft, bei einem Zweiminuten-Gespräch an einem Billardtisch in einer indischen Hotellobby.

Das Geld erhielt er wirklich, während eines wieder sonderbaren Treffens in der Moskauer Rosneft-Zentrale. Setschin plauderte dort freundschaftlich mit Uljukajew und übergab ihm einen 20 Kilo schweren Koffer. Uljukajew beteuerte vor Gericht, er habe geglaubt, darin seien mehrere Kartons mit teuren Weinflaschen, die ihm Setschin in Indien versprochen habe. Der Rosneft-Chef selbst ignorierte mehrere Vorladungen, um seine Version vor Gericht zu bezeugen. Staatsanwaltschaft und Richterin glauben ihm trotzdem.

Ein Beamter, kein Politiker, kein Konfliktmensch

Die Fachwelt ist ratlos. „Uljukajew ist ein kluger Mann, er weiß, dass Setschin einer der engsten Freunde Wladimir Putins ist, er hätte nie versucht, ihn zu erpressen“, erklärt der Petersburger Wirtschaftswissenschaftler Dmitri Trawin. „Kein Minister würde persönlich Schmiergeld in Empfang nehmen“, sagt Igor Rodionow, Finanzexperte der Moskauer Hochschule für Wirtschaft. „Offenbar soll das Urteil ein Signal sein, aber niemand weiß, an wen.“ Es wird spekuliert, ob Uljukajew Opfer einer Intrige gegen Premier Dmitri Medwedew geworden ist, oder eines Racheakts Setschins dafür, dass Uljukajew öffentlich die Zweckmäßigkeit der Privatisierung des Staatskonzerns Baschneft durch einen Verkauf an den Staatskonzern Rosneft in Frage gestellt hat.

In November vergangenen Jahres war Uljukajew von Präsident Putin seines Amtes enthoben worden. Seit 2013 war er Wirtschaftsminister gewesen und füllte dieses Amt als stiller Arbeiter aus. Unter Jelzin Mitarbeiter der liberalen Reformer Anatoli Tschubais und Jegor Gaidar, unter Putin Vizefinanzminister und Vizechef der russischen Zentralbank. Ein Beamter, kein Politiker, kein Konfliktmensch.

Vielleicht auch etwas korrupt, seine zweite Frau und sein Sohn fanden sich in den Panama-Papieren als Direktoren einer Offshore-Firma. Doch vor allem war Uljukajew ein unumstrittener Spezialist, seine Expertisen überraschten immer wieder mit Witz. „Es gibt zwei Auswege“, kommentierte er 2015 die Krise. „Einen realistischen: Marsmenschen landen und tun alles für uns. Oder einen fantastischen: Wir machen uns selbst an die Arbeit.“

Nebenher schreibt Uljukajew Gedichte, oft finster, oft traurig. Er sagt, jeder Mensch lebe mehrere Leben. Nach den Ministerien und der Poesie wird dem herzkranken Mann das Dasein im Straflager nicht leicht fallen.

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