Washington in Alarmstimmung Rufe nach Erstschlag gegen Nordkorea

WASHINGTON · Der US-Präsident hat den liberalen Kandidaten für den Botschafterposten in Seoul, Victor Cha, aus dem Rennen nehmen lassen. Der Grund versetzt Washington in Alarmstimmung.

 Geballte Faust: US-Präsident Donald Trump nach seiner ersten Rede "Zur Lage der Nation".

Geballte Faust: US-Präsident Donald Trump nach seiner ersten Rede "Zur Lage der Nation".

Foto: Win Mcnamee/Pool Getty Images

Victor Cha war so gut wie gesetzt für den sensibelsten Botschafterposten, den die USA im Moment zu vergeben haben. Der frühere Asiendirektor des Nationalen Sicherheitsrates von George W. Bush, Sohn südkoreanischer Einwanderer, galt angesichts der akut schwelenden Krise um das nordkoreanische Atomprogramm bis vor kurzem im Weißen Haus als die perfekte Wahl für den Job des Chefdiplomaten in Seoul. Perdu. Präsident Donald Trump hat den parteiübergreifend anerkannten Experten kurzfristig aus dem Rennen nehmen lassen.

Der Grund hat in Washington all jene in Alarmstimmung versetzt, die Trumps Säbelrasseln gegen das Regime von Diktator Kim Jong un („kleiner Raketenmann“) für brandgefährlich halten. Anders als Trump und der in dieser Frage immer mehr an Einfluss gewinnende Nationale Sicherheitsberater Herbert McMaster, lehnt Cha Pläne für einen begrenzten Erstschlag der USA gegen Pjöngjang ab. Die Idee berge die Gefahr eines militärischen Flächenbrandes mit Hunderttausenden Toten, schrieb der 56-Jährige in einem als Weckruf verstandenen Meinungsbeitrag in der „Washington Post“ und sei darum abzulehnen.

Weil Cha in Washington zu den wenigen Insidern gehört, die bereits auf Verhandlungserfahrung mit Nordkorea zurückblicken können, wird die gescheiterte Personalie mit Besorgnis verfolgt. Asien-Experten bei den Demokraten gehen davon aus, dass nach Ende der Olympischen Winterspiele, bei denen Süd- und Nordkorea begrenzte Gemeinsamkeit demonstrieren wollen, was Trump die Hände binde, die „trügerische Ruhe“ zwischen Pjöngjang und Washington vorbei ist.

Nordkorea als rationaler Partner

Die Aussicht auf eine militärische Konfrontation im kommenden Sommer sei „nicht kleiner, sondern größer geworden“, sagten Fachleute der Denkfabrik Brookings nach Trumps Rede zur Lage der Nation. Der Präsident hatte am Dienstag seine bisherige Linie befestigt. Danach ist die Zeit der „strategischen Geduld“ mit Pjöngjang vorüber. Frühere Präsidenten hätten dem Regime „Zugeständnisse“ gemacht, die nur zu weiteren Provokationen geführte hätten. „Ich werde nicht die Fehler früherer Regierungen wiederholen, die uns in diese gefährliche Position gebracht haben“, sagte Trump und ließ durchblicken, dass er die traditionelle Denkschule ablehnt.

Danach könnte Nordkorea im Rahmen nuklearer Abschreckung langfristig als rationaler Partner betrachtet werden. Victor Cha glaubt, dass vor allem Sicherheitsberater McMaster den Präsidenten auf den Kurs bringen will, Kim Jong un eher früher als später mit Hilfe eines begrenzten Erstschlags eine „blutige Nase“ zu verpassen. Anders, so die Überzeugung der „Falken“ im Weißen Haus, sei dem Diktator nicht begreiflich zu machen, dass Amerika unter Trump tatsächlich eine Atommacht Nordkorea nicht hinnehmen wird. Daher auch das laut „New York Times“ energischer werdende Drängen des Präsidenten in Richtung Pentagon auf Vorlage verschiedener Angriffsoptionen.

Trump trifft Flüchtlinge aus Nordkorea

Aber Verteidigungsminister James Mattis, der in zwei Wochen die US-Delegation bei der Münchner Sicherheitskonferenz anführen wird, zögert. Der kriegserfahrene General will keine Fakten schaffen. Er betont im Verein mit Außenminister Rex Tillerson bei jeder Gelegenheit, dass er einer diplomatischen Lösung klar den Vorzug gibt. Begründung: Eine militärische Auseinandersetzung werde auf der koreanischen Halbinsel und vermutlich darüber hinaus zu einer Katastrophe mit gewaltigen Opferzahlen führen. „Wahrscheinlich würde es der schlimmste Kampf in der Lebensspanne vieler Menschen“, sagte Mattis im vergangenen Jahr im US-Fernsehen.

Dahinter steht die Überzeugung, dass durch die geographische Nähe Nordkorea im Falle einer US-Intervention allein durch konventionelle Artillerie und Raketen den von 20 Millionen Menschen bewohnten Großraum um das südkoreanische Seoul in Schutt und Asche legen könnte.

Im Weißen Haus, so Victor Cha zwischen den Zeilen, gibt es offenbar Leute, die diesen Preis zahlen würden. Auch weil sie dem Regime insgeheim die Existenzberechtigung absprechen. Bei der Rede zur Lage der Nation stellte Trump das Schicksal des nordkoreanischen Überläufers Ji Seong-ho heraus, der auf der Gästetribüne saß. Er verlor auf der Flucht ein Bein.

Am Freitag traf sich Trump im Weißen Haus erneut mit Flüchtlingen aus Nordkorea. Ein Treffen mit Symbolgehalt. „Wir müssen nur auf den verdorbenen Charakter der Führung Nordkoreas blicken, um die Natur der nuklearen Bedrohung für die USA und ihre Verbündeten zu verstehen“, sagt Trump.

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