Regierungskrise Renzi will Neuwahlen in Italien verhindern

Rom · Die früheren Premierminister Silvio Berlusconi und Matteo Renzi mischen in der Regierungskrise in Italien wieder mit. Wie Berlusconi hat auch der frühere PD-Chef Renzi mit Dutzenden Gefolgsleuten im Parlament noch einigen Einfluss.

Trotz Sommerhitze und Ferienstimmung sind in Rom alle Augen auf das Parlament gerichtet. Die Abgeordneten müssen demnächst über den Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Giuseppe Conte entscheiden. Matteo Salvini, Innenminister, Vizepremier und Chef der rechten Lega, hatte vorige Woche das Ende der Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung verkündet. Die entscheidenden Momente in der italienischen Regierungskrise spielen sich jedoch in den Hinterzimmern ab. Bei einem der wichtigsten Treffen hat ein alter Bekannter der römischen Ränkespiele die Schlüsselrolle inne: Silvio Berlusconi.

Der viermalige Premierminister will dieser Tage Lega-Chef Salvini treffen, beide Politiker sind derzeit aufeinander angewiesen. Der Medienunternehmer aus Mailand ist bereits 82 Jahre alt, verfügt aber immer noch über einigen Einfluss in Rom. Berlusconis Partei Forza Italia hat 104 Parlamentarier im Abgeordnetenhaus und 62 Senatoren, die bei den anstehenden Entscheidungen ein wichtiges Wort mitreden können. Während Lega-Chef Salvini, gestützt von ausgezeichneten Umfragewerten, baldige Neuwahlen anstrebt, formiert sich in Rom eine Allianz, die diesen Plan verhindern will.

Die Berlusconi-Parlamentarier könnten zum Zünglein an der Waage werden, wenn es darum geht, den Weg für Neuwahlen noch im Herbst frei zu machen. Dafür verlangt der Profi-Verhandler und EU-Parlamentarier Berlusconi Gegenleistungen, etwa die Beteiligung an der zukünftigen Regierung unter einem Premier Salvini.

Spielen der Ex-Premier und seine Gefolgsleute nicht mit, nimmt er dem Umfragekönig Salvini den Wind aus den Segeln, der aktuell mit bis zu 40 Prozent der Stimmen rechnen kann. Den Preis, den Berlusconi dem Vernehmen nach fordert, ist ein Wahlbündnis, wie es schon vor den vorigen Wahlen Bestand hatte. Damals traten Forza Italia, Lega und die Rechtsaußen-Partei Fratelli d'Italia gemeinsam an. Salvini ging nach der Wahl dennoch ein Regierungsbündnis mit den Linkspopulisten der Fünf Sterne ein, das er jetzt platzen ließ. Nun soll der alte Bund wieder aufleben. „Ich werde ihnen einen Pakt anbieten“, sagte Salvini in einem Interview mit der Berlusconi-Zeitung "Il Giornale".

Auf regionaler und kommunaler Ebene paktieren Lega und Forza Italia mehrfach, nicht zuletzt in zehn der 20 italienischen Regionen. Salvini ist vor allem in der aktuellen Phase auf Unterstützung im nationalen Parlament angewiesen, das den Weg für baldige Neuwahlen frei machen kann. Seine Lega verfügt in der kleineren, aber entscheidenden Kammer, dem Senat, nur über 58 Abgeordnete. Weil die meisten anderen Parteien bei den Italienern derzeit weniger punkten und deshalb keine Neuwahlen wünschen, formt sich eine Anti-Salvini-Allianz im Parlament, die zwar nicht auf eine dauerhafte Gegenkoalition, aber auf eine Übergangsregierung hinarbeitet.

Renzi droht, die Demokratische Partei zu spalten

Zu dem Block zählt nicht nur die Fünf-Sterne-Bewegung, bisheriger Koalitionspartner der Lega und im aktuellen Parlament am stärksten vertreten. Sterne-Gründer und Komiker Beppe Grillo gab bereits die Losung aus, man müsse Italien nun vor den "neuen Barbaren" retten, also alles Mögliche gegen den von seiner Bewegung mitgetragenen Rechtskurs des bisherigen Koalitionspartners Lega unternehmen. Eine Übergangsregierung solle die Zahl der Parlamentarier reduzieren, fordern die "Grillini".

Auch der sozialdemokratische Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi mischt hinter den Kulissen kräftig mit und droht, die Demokratische Partei (PD) zu spalten. "Renzi ist zurück", schrieb der "Corriere della Sera". Der 44-jährige Senator Renzi sprach sich für die Bildung einer Übergangsregierung aus, die die bereits geplante Mehrwertsteuererhöhung verhindern und den Haushalt für 2020 verabschieden soll. PD-Parteichef Nicola Zingaretti hingegen strebt Neuwahlen an, nicht zuletzt, um seinen Führungsanspruch in der Partei auch mit ihm gewogenen Abgeordneten zu untermauern.

Wie Berlusconi hat auch der frühere PD-Chef Renzi mit Dutzenden Gefolgsleuten im Parlament noch einigen Einfluss. Gemunkelt wird in Rom seit Monaten über die Gründung einer Partei der Mitte nach dem Vorbild von "En Marche!" des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Für die Bildung dieser neuen Formation braucht Renzi offenbar noch Zeit, will also baldige Neuwahlen verhindern. Über die Auflösung des Parlaments oder die Bildung einer neuen Exekutive entscheidet Staatspräsident Sergio Mattarella. Der weilt derzeit noch in den Ferien auf Sardinien und verfolgt, wie es heißt, die römischen Ränkespiele mit größter Aufmerksamkeit.

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