Französisches Parlament Reform mit Hindernissen

Paris · Der Streit um sein Arbeitsmarktgesetz bringt Frankreichs Präsident François Hollande einen Misstrauensantrag ein. Den übersteht er zwar, doch seine Autorität ist angekratzt.

 Angeschlagen: Frankreichs Präsident François Hollande ist derzeit unbeliebter als jeder seiner Vorgänger.

Angeschlagen: Frankreichs Präsident François Hollande ist derzeit unbeliebter als jeder seiner Vorgänger.

Foto: dpa

Es sollte sein letztes großes Reformprojekt dieser Amtszeit sein. Mit dem Arbeitsmarktgesetz wollte sich Frankreichs Präsident François Hollande als mutiger Erneuerer empfehlen, der verkrustete Strukturen aufbricht und endlich die hohe Arbeitslosigkeit eindämmt. Unter anderem sieht es eine Lockerung des strengen Kündigungsschutzes sowie der 35-Stunden-Woche durch Vereinbarungen auf Betriebsebene vor. Durch mehr Flexibilität für Unternehmen sollen die Hürden für unbefristete Neuanstellungen sinken.

Als Hollande am Donnerstag versicherte, es handele sich um einen „fortschrittlichen Text“, so richtete er sich vor allem an Abweichler aus den eigenen Reihen. Sie hatten ihre Zustimmung und damit die notwendige Mehrheit in der Nationalversammlung verweigert. Seit langem kritisiert der linke Flügel der Sozialisten den „sozial-liberalen“ Kurs der Regierung, ohne ganz mit ihr zu brechen – zu groß erscheint das Risiko einer Niederlage bei Neuwahlen.

Nachdem die tagelangen Beratungen um Änderungsanträge stockten, wurde das Gesetz mit Hilfe des Sonderartikels 49-3 in der Verfassung durchgesetzt. In Verbindung mit der Vertrauensfrage ermöglicht er eine Annahme des Textes ohne parlamentarische Abstimmung. Bereits im vergangenen Jahr griff Wirtschaftsminister Emmanuel Macron auf diesen Verfassungskniff zurück, um sein umstrittenes Gesetz unter anderem zur Liberalisierung des Bus-Fernverkehrs und der Sonntagsarbeit durchzubringen.

Auch Grüne und Sozialisten hatten Misstrauensantrag gestellt

Kritikern zufolge handelt es sich beim Vorgehen der Regierung um „Verweigerung der Demokratie“ und ein „Eingeständnis der Schwäche“. Zwar scheiterte ein Misstrauensvotum, das die konservative Opposition gestern beschloss, weil sich die linken „Rebellen“ nicht dem politischen Gegner anschließen wollten. Allerdings hatten tags zuvor 56 linke Abgeordnete, darunter 28 Sozialisten und zehn Grüne, ebenfalls einen Misstrauensantrag gestellt, dem nur zwei Stimmen zur Annahme fehlten.

Der Vorgang illustriert den dramatischen Autoritätsverlust des Präsidenten und seines Premierministers Manuel Valls in der eigenen Partei: Ein Jahr vor der nächsten Präsidentschaftswahl sind die Sozialisten tief gespalten. Es erscheint unsicher, ob Hollande überhaupt die Unterstützung für eine neuerliche Kandidatur bekommt. Nur noch 16 Prozent der Franzosen stehen hinter ihm. Er ist unbeliebter als jeder seiner Vorgänger. Auch der Reformstreit ist noch längst nicht beendet. Nun kommt das Gesetz zur Debatte in den Senat, wo die konservativen Republikaner in der Mehrheit sind. Beschließen sie Änderungen, geht es zurück in die Nationalversammlung. Bei weiteren Lesungen kann der Notparagraph 49-3 erneut zum Einsatz kommen.

Dabei handelt es sich bei der Arbeitsmarktreform nicht einmal um einen großen Wurf. Laut Konservativen und auch Arbeitgebern ist sie ohnehin nur noch ein „Schatten ihrer selbst“. Zahlreiche geplante Maßnahmen wurden in den vergangenen Wochen zurückgenommen, um den massiven Widerstand von Gewerkschaften und Schüler- und Studentenorganisationen zu brechen.

Aus ihm entstand die Bewegung „Nuit debout“ („Nachts wach“ oder „Aufrecht durch die Nacht“), die Streiktage organisiert und seit Wochen jeden Abend Tausende Aktivisten auf Plätzen in ganz Frankreich versammelt. Sie protestieren für mehr soziale Gerechtigkeit und gegen den befürchteten Ausverkauf von Arbeitnehmerrechten durch eine Reform, mit der Hollande ihre Lage eigentlich bessern wollte. Hätte er es nur verstanden, dies ausreichend zu erklären.

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