Kommentar zum Brexit Nur aufgeschoben

Meinung | London · Theresa May hat den Weg freigemacht für eine Fristverlängerung und damit für einen Aufschub des Brexit. Gut so. Denn das Chaos wäre andernfalls programmiert gewesen.

Die britische Premierministerin Theresa May hat sich dem Druck gebeugt. Ein No Deal scheint erst einmal vom Tisch genommen. May hat den Weg freigemacht für eine Fristverlängerung und damit für einen Aufschub des Brexit. Gut so. Denn ein ungeregelter Austritt aus der EU hätte bedeutet, dass ab 29. März Mitternacht mit einem Schlag die legale Grundlage für eine ganze Reihe von zwischenstaatlichen Interaktionen zwischen Großbritannien und der EU fehlen würde.

Ob Datenaustausch oder Viehtransporte, ob Grenzkontrollen oder Landerechte: Das Chaos wäre programmiert gewesen. Und das Eskalationspotenzial wäre enorm. Wenn Versorgungsengpässe auftreten, um radioaktive Isotopen zur Krebsbekämpfung oder Medikamente wie Insulin rechtzeitig nach Großbritannien zu liefern, könnte es zu Toten kommen.

Kein vernünftiger Mensch kann sich einen No Deal wünschen. Und doch war es bis vor Kurzem die Politik der Regierung Ihrer Majestät. „No Deal ist besser als ein schlechter Deal“, war ein Mantra, das Premierministerin Theresa May oft wiederholt hat. Sie wollte die Drohung als Druckmittel nutzen, um zögerliche Abgeordnete zur Annahme ihres Brexit-Deals zu zwingen.

In einem Punkt hat Theresa May jedoch recht. Eine Verzögerung des Brexits wird nicht die Möglichkeit eines No Deal aus der Welt schaffen. Das kann nur eintreten, wenn entweder der Austrittswunsch zurückgezogen oder zu guter Letzt einem Austrittsvertrag zugestimmt wird. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das Problem verschwindet nicht. Das britische Unterhaus muss sich darüber einig werden, was es will. Bis jetzt sind sich die Volksvertreter in der sogenannten „Mutter aller Parlamente“ nur darüber einig, was sie nicht wollen: einen No Deal. Aber das reicht nicht.

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