Meilenstein der Geschichte Nordkorea kündigt nukleare Abrüstung an

Peking · Beim ersten gesamtkoreanischen Gipfel seit über zehn Jahren, scheint ein Frieden auf der koreanischen Halbinsel nach fast 70 Jahren Spannungen möglich zu werden. Doch das Treffen hielt noch weitere Überraschungen bereit.

Es sind Bilder, die in die Geschichte eingehen werden: Bei strahlend blauem Himmel stehen die Staatschefs beider koreanischer Staaten zwischen den frisch gestrichenen blauen Baracken des Grenzdorfs Panmunjom gegenüber, schütteln sich lachend die Hände und schmeicheln sich gegenseitig. Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un zeigt sich in einem dunklen Mao-Anzug, Südkoreas Präsident Moon Jae In im Anzug mit blauer Krawatte. „Es ist schön, Sie zu sehen“, sagt Moon. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite“, antwortet der sehr viel jüngere Kim Jong. Diese freundlichen Worte sind nur ein Vorgeschmack für weitere Überraschungen an diesem Tag.

Bei ihrer ersten persönlichen Begegnung am Freitag haben sich Moon und Kim auf dem ersten gesamtkoreanischen Gipfel seit über zehn Jahren darauf geeinigt, den seit 1953 bestehenden Kriegszustand auf der koreanischen Halbinsel noch in diesem Jahr offiziell zu beenden. Sie würden zudem eine „vollständige nukleare Abrüstung“ anstreben, verkündeten sie in einer gemeinsamen Erklärung. Moon kündigte aber an, dass er noch in diesem Herbst in die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang reisen werde. Kim habe ihn dazu eingeladen. Ziel sei eine „dauerhafte und stabile“ Friedensregelung.

Dass es nach Jahren heftiger Anfeindungen innerhalb weniger Monate überhaupt zu einer Begegnung der Staatschef der beiden verfeindeten Staaten auf der koreanischen Halbinsel kommt, wurde im Vorfeld des Gipfels bereits als Sensation gefeiert. Dass es aber zu so konkreten Ergebnissen kommen würde – damit hatten selbst die kühnsten Optimisten nicht gerechnet. Erstmals seit dem Ende des Koreakriegs 1953 könnte für Millionen von Menschen in der Region ein Friedenstraum wahr werden.

Moon Jae In darf nordkoreanischen Boden betreten

Schon der Gipfelauftakt ist voller Versöhnungsgesten. Eigentlich war der Ablauf dieser Begegnung bis ins kleinste Detail geplant. Doch ausgerechnet der nordkoreanische Machthaber widersetzte sich dem vorab von den Unterhändlern ausgehandeltem Protokoll. Vorgesehen war, dass Kim die Demarkationslinie inmitten der entmilitarisierten Sicherheitszone übertritt und damit als erstes nordkoreanisches Staatsoberhaupt überhaupt Südkorea betritt. Nachdem es den ersten Handschlag gibt, schlägt Kim dem südkoreanischen Präsidenten vor, für einen kurzen Moment doch auch nordkoreanischen Boden zu betreten. Lachend folgt Moon dieser Bitte und beide überschreiten sich an den Händen haltend die Grenze zum Norden.

Am späten Nachmittag unterzeichnen Moon und Kim feierlich die gemeinsame Erklärung. „Einen Krieg auf der Halbinsel wird es nicht mehr geben“, heißt es darin. Auf der anschließenden gemeinsamen Pressekonferenz sagt Moon: „Wir erklären hiermit gemeinsam den Anbruch des Friedens.“ Und weiter: „Wir haben den ersten Schritt für eine Wiedervereinigung getan.“ Kim ergänzt: „Nord- und Südkorea sind von einem Volk, und wir können nicht getrennt leben.“ Der Diktator spricht von einem „Wendepunkt in der koreanischen Geschichte.“

Und als hätte es für einen Tag nicht schon genug an Symbolik gegeben, pflanzen Moon und Kim eine Kiefer an der schwer gesicherten Grenze und enthüllen einen Gedenkstein mit der Aufschrift: „Frieden und Wohlstand pflanzen.“ Beide Staatschefs reichen sich anschließend die Hände und umarmen sich.

Experten: Skepsis gegenüber Kims Plänen

Trotz dieser vielen symbolischen Gesten – Korea-Experte Andrej Lankow ist skeptisch, ob Kim sein Atomprogramm rasch aufgehen wird. „Nordkorea ist ein Atomwaffenstaat“, sagte der Professor der südkoreanischen Kookmin-Universität. „Das ist eine Tatsache. Sie haben Atomwaffen und können sie explodieren lassen.“ Zwar lobte US-Präsident Donald Trump den Ausgang des Korea-Gipfels am Freitag in hohen Tönen. Doch seine um ihn gescharten Berater fordern konkrete Taten. Zum Abbau des nordkoreanischen Atomarsenals gehört für sie auch die Aufgabe der nordkoreanischen Atomanlage Yongbyon und die Erlaubnis des Regimes in Pyeongyang unabhängige Kontrolleure ins Land zu lassen. Das werde US-Präsident Donald Trump Kim auch noch mal klar machen, wenn er Kim in wenigen Wochen selbst treffen wird.

Am Abend berichten südkoreanische Medien, der nordkoreanische Machthaber habe im Gespräch mit Moon zugegeben, dass die Straßen in seinem Land marode und in einem schlechten Zustand seien. Ein Bekenntnis?

Beobachter interpretieren diese Äußerung als den Auftakt eines langen Wunschzettels, mit dem Nordkorea sich in den nächsten Monaten noch häufig an den Süden wenden wird. „Die Liste ist lang“, glaubt der japanische Korea-Experte Kan Kimura. „Und Südkorea wird für all das zahlen.“

Nato-Generalsekretär: Weg zum Frieden ist noch lang

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat nach dem historischen Korea-Gipfel vor verfrühter Euphorie gewarnt. Die Begegnung von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In sei zwar ein „ermutigender erster Schritt“, sagte Stoltenberg am Freitag bei einem Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel. „Uns muss aber bewusst sein, dass noch viel harte Arbeit vor uns liegt.“

Koreas Bischöfe zeigen sich hocherfreut und gerührt über das Treffen der Staatschefs von Süd- und Nordkorea, Moon Jae-in und Kim Jong-un. Der Präsident der Koreanischen Bischofskonferenz, Erzbischof Kim Hee-Joong, sprach laut dem italienischen Pressedienst SIR von einem „historischen Ereignis“ und einem „Meilenstein für den Frieden auf der koreanischen Halbinsel“. Daejons Bischof Lazzaro You Heung-sik erklärte: „Ich habe geweint, als ich die Bilder sah.“ Der Friedensprozess könne nun „nicht mehr zurückgehen“, so der Vorsitzende der bischöflichen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden in Südkorea. Mit dem Nord-Süd-Gipfel gehe ein langer Konflikt zu Ende, und ein „Eckpfeiler des Friedens“ werde geschaffen.

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