Edouard Philippe wird Regierungschef in Frankreich Neuer Premierminister machte Abitur in Bonn

Paris/Bonn · Der gemäßigt konservative Politiker Edouard Philippe wird neuer französischer Premierminister. Der 46-Jährige spricht nicht nur deutsch, er hat sein Abitur auch in Bonn gemacht.

Für die deutsch-französische Zusammenarbeit ist Frankreichs neuer Premierminister Edouard Philippe sicherlich ein Gewinn: Der 46-Jährige hat in Bonn sein Abitur gemacht und spricht gutes Deutsch. Doch nicht deswegen hat Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron sich für Philippe als Regierungschef entschieden. Vielmehr gehört der Bürgermeister von Le Havre, der den meisten Franzosen bislang unbekannt war, den konservativen Republikanern an. Mit seiner Ernennung legt Macron den Grundstein für ein breites Regierungsbündnis - und ärgert zugleich die politische Konkurrenz.

Der Bartträger Philippe gilt als modern und offen und hat keine Berührungsängste mit anderen politischen Lagern: Als Student war er Anhänger des sozialistischen Reformpolitikers Michel Rocard. Während des diesjährigen Präsidentschaftswahlkampfs schrieb er eine wöchentliche Kolumne für die linke Tageszeitung "Libération". Seine politische Karriere ist eng mit dem konservativen Ex-Premierminister Alain Juppé verknüpft, der dem gemäßigten Republikaner-Flügel angehört und auch bei vielen Linken Ansehen genießt.

Diese Offenheit ist wichtig für Philippes künftige Arbeit als Premierminister. Macron, der sich politisch weder als links noch rechts ansieht und an der Spitze seiner jungen Bewegung "En Marche!" zum Präsident gewählt wurde, will in seiner Regierungsmannschaft Vertreter verschiedener politischer Strömungen zusammenbringen.

Vater leitete Gymnasium in Bonn

Denn vor der Parlamentswahl im Juni, die über die künftige Regierungsmehrheit entschieden wird, muss der Präsident ein möglichst breites Bündnis schmieden - und will daher Politiker von Konservativen wie Sozialisten zur Zusammenarbeit bewegen. Philippes Ernennung ist dabei so etwas wie eine ausgestreckte Hand an Vertreter der Republikaner.

Geboren wurde der neue Premier am 28. November 1970 in der nordfranzösischen Stadt Rouen als Sohn zweier Französischlehrer. Das Abitur machte er in Bonn, wo sein Vater das französische Gymnasium leitete.

Zurück in Frankreich absolvierte Philippe die Elite-Hochschulen Sciences Po und ENA. Das hat er mit Präsident Macron gemeinsam, der ebenfalls die beiden wichtigen Kaderschmieden durchlief.

Langjähriger Vertrauter von Ex-Premier Juppé

Auch sonst gibt es Parallelen in der Karriere der beiden Männer. Wie Macron, der zwischenzeitlich bei der Investmentbank Rothschild anheuerte, sammelte Philippe Erfahrungen in der Privatwirtschaft. Er arbeitete für eine französisch-amerikanische Anwaltskanzlei und für den französischen Atomkonzern Areva, bevor er sich ganz der Politik verschrieb.

2010 wurde der verheiratete Vater von drei Kindern Bürgermeister von Le Havre, wo sein Großvater einst Hafenarbeiter war. Zwei Jahre später wurde er in die französische Nationalversammlung gewählt.

Philippe ist ein langjähriger Vertrauter von Ex-Premier Juppé. Weniger gute Beziehungen pflegt er mit dem konservativen Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy: Die beiden sollen einmal heftig aneinandergeraten und dabei fast handgreiflich geworden sein. "Was sicher ist: Edouard senkt den Blick nicht vor Sarkozy", sagt ein Freund des Abgeordneten und Boxfans.

Philippe soll Sarkozy auch recht gut nachahmen können, ebenso dessen Vorgänger Jacques Chirac. Freunde loben seinen guten Humor. Allerdings gilt er auch als hochmütig und schroff, manche beschreiben ihn als eingebildet und übertrieben ehrgeizig. "Wie viele brillante Leute hat er vielleicht diese Spur Arroganz", sagt ein Parteifreund.

Ein "Mann der Rechten"

Fortan wird der jüngste französische Premier seit mehr als 30 Jahren vor allem ein dickes Fell benötigen. Die Arbeit des Regierungschefs ist ein Knochenjob. Und viele Parteifreunde goutieren seinen Schritt gar nicht: Die Mehrheit der Konservativen sieht sich in Opposition zu Macron, die Frage von Zusammenarbeit oder Konfrontation spaltet die Partei.

Die Ernennung Philippes werde "die Rechte zerbrechen", prognostiziert Macrons Umfeld. Republikaner-Generalsekretär Bernard Accoyer warf dem neuen Premier vor, sich selbst "außerhalb unserer politischen Familie" zu platzieren. Ein Parteiausschluss stehe aber nicht zur Debatte.

Philippe selbst bekräftigte bei der Amtsübernahme, er sei ein "Mann der Rechten" - er sehe sich aber vor allem dem Allgemeinwohl verpflichtet. (afp)

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