Wahlen Mitten in EM-Euphorie: Isländer wählen neuen Präsidenten

Reykjavík · Die Enthüllungen der Panama Papers haben die Isländer aufgeschreckt. Ihr Vertrauen in ihre Politiker ist gering. Deshalb könnte bei der Präsidentenwahl am Samstag ein Newcomer das Rennen gemacht haben.

 Der Historiker Gudni Th. Jóhannesson gilt als Favorit bei der Präsidentschaftswahl in Island. Er hatte seine Landsleute nach den Enthüllungen der Panama Papers über Offshore-Konten mit seinen Analysen beeindruckt.

Der Historiker Gudni Th. Jóhannesson gilt als Favorit bei der Präsidentschaftswahl in Island. Er hatte seine Landsleute nach den Enthüllungen der Panama Papers über Offshore-Konten mit seinen Analysen beeindruckt.

Foto:  Birgir Þór Harðarson/Archiv

Mitten in der Euphorie um den Einzug ihrer Fußballnationalelf ins EM-Achtelfinale haben die Isländer am Samstag einen neuen Präsidenten gewählt. Rund 245 000 Menschen auf der Insel im Nordatlantik waren seit 11 Uhr (MESZ) aufgerufen, für ihren Favoriten unter neun Kandidaten zu stimmen.

Bis um Mitternacht (MESZ) sollten die Wahllokale noch geöffnet sein. Mit einem Endergebnis wurde im Laufe der Nacht zum Sonntag gerechnet.

Nachdem die Isländer sich überraschend für die Fußball-EM qualifiziert hatten, hatten viele Inselbewohner schon im Voraus abgestimmt. Damit, dass ihr Team es über die Vorrunde hinaus schaffen würde, hatten die meisten aber wohl nicht gerechnet. Damit auch die Fußballfans wählen konnten, die in Frankreich geblieben waren, um ihre Mannschaft beim Achtelfinale gegen England am Montag anzufeuern, hatte das Innenministerium spontan ein Wahllokal im Camp des Nationalteams in Annecy eingerichtet.

In Umfragen vor der Präsidentenwahl hatte der Historiker Gudni Th. Jóhannesson in den vergangenen Wochen mit weitem Abstand vorn gelegen. Durch seine Auftritte als Experte im Fernsehen ist er einem breiten Publikum auf der Nordatlantik-Insel bekannt.

Nach den Enthüllungen der Panama Papers über Briefkastenfirmen in Steueroasen, die Islands Regierungschef zum Rücktritt gezwungen hatten, war das Vertrauen der Isländer in ihre Politiker geschwunden.

Viele Landsleute hatten Jóhannesson bestärkt, sich für den Präsidenten-Posten zu bewerben. Daraufhin war er schnell zum Favoriten aufgestiegen. Der Wahlkampf sei für ihn "neu und aufregend" gewesen, sagte der fünffache Vater der Deutschen Presse-Agentur.

Neben Jóhannesson kämpften acht andere Kandidaten um das Amt, darunter der frühere isländische Ministerpräsident Davíð Oddsson und der Schriftsteller Andri Snær Magnason. Islands Präsident Ólafur Ragnar Grímsson wollte nach 20 Jahren und fünf Amtszeiten nicht mehr antreten. Auch Mitglieder seiner Familie waren in den Enthüllungen der Panama Papers aufgetaucht.

Der isländische Präsident hat vor allem repräsentative Aufgaben, kann aber etwa auch ein Veto gegen Gesetzentwürfe einlegen und spielt eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung.

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