Genug gebüßt? Mutmaßlicher Ideologe von Bali-Anschlag vor Freilassung

Jakarta · Bei einem Terroranschlag auf Bali starben 2002 mehr als 200 Menschen, auch sechs Deutsche. Als geistiger Urheber gilt vielen der islamistische Hassprediger Abu Bakar Baschir. Jetzt soll er vorzeitig freikommen. Warum?

 Baschir lebte mehrere Jahre in Malaysia im Exil. Seit seiner Rückkehr 1998 saß er mehrfach im Gefängnis. Wegen Unterstützung für ein terroristisches Ausbildungscamp wurde er schließlich 2011 zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Baschir lebte mehrere Jahre in Malaysia im Exil. Seit seiner Rückkehr 1998 saß er mehrfach im Gefängnis. Wegen Unterstützung für ein terroristisches Ausbildungscamp wurde er schließlich 2011 zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Foto: Muhammad Ali/epa/Archiv

Die erste Bombe war damals in einem Rucksack versteckt. Am 12. Oktober 2002, einem Samstagabend, kurz nach 23.00 Uhr, ging sie hoch. Wer in "Paddy's Pub", einem vor allem von Ausländern besuchten Lokal auf der Urlauberinsel Bali, am Leben blieb, rannte schnell nach draußen.

Dort explodierte dann die nächste Bombe, in einem Auto. Die Bilanz: 202 Tote, darunter allein 88 Australier, aber auch sechs Deutsche. Der Anschlag - kaum ein Jahr nach dem 11. September - ging auf das Konto der islamistischen Terrorgruppe Jemaah Islamiah (JI). Deren Ziel: in Indonesien und darüber hinaus ein Kalifat zu errichten. Drei Terroristen wurden hingerichtet. Der mutmaßliche Ideologe dahinter, der Hassprediger Abu Bakar Baschir, wurde verurteilt, freigesprochen, dann wegen anderer Dinge wieder verurteilt. Er bestreitet jede Beteiligung, immer noch.

Inzwischen ist Baschir ein alter Mann von 80 Jahren, seit neun Jahren im Gefängnis, dünn geworden. Aber seit Indonesiens Präsident Joko Widodo am Wochenende seine vorzeitige Entlassung verkündete - aus "humanitären und gesundheitlichen Gründen" -, ist die Aufregung groß. Der Australier Phil Britten, der 2002 überlebte, aber sieben Freunde verlor, sagt: "Meine Freunde hatten keine Chance, ihr Leben friedlich fortzusetzen. Warum sollte er das dürfen?"

Inzwischen ist der Fall auch in der internationalen Politik angekommen. Australiens Premier Scott Morrison bat Widodo, das Thema mit "großer Sorgfalt" zu behandeln - eine kaum verklausulierte Aufforderung, den Mann hinter Gittern zu lassen. Auch andere der 20 Länder, die Opfer zu beklagen hatten, äußerten sich verwundert. Die Bundesregierung hält sich mit offiziellen Äußerungen bislang zurück.

Der Präsident lässt die Freilassung nun nochmals prüfen. Sein Sicherheitsminister Wiranto versicherte am Montagabend, die Entscheidung werde "nicht überhastet" erfolgen. Aus dem geplanten Termin, diesem Donnerstag, wird wohl nichts. Baschir selbst, der Bali-Touristen einst als "Würmer" und "Maden" schmähte, bekannte sich noch 2014 zum Islamischen Staat (IS). Zur möglichen Freilassung sagte er nun: "Wenn Allah das erlaubt, ist es allein ihm zu verdanken."

Eine unmittelbare Beteiligung am Bali-Anschlag konnte Baschir nie nachgewiesen werden. Ein Urteil, wonach er seine Einwilligung gegeben habe, hob die nächste Instanz auf. In Indonesien - mit mehr als 200 Millionen Gläubigen bevölkerungsreichstes muslimisches Land der Welt - trat er erstmals in den 1970er Jahren mit radikalen Predigten in Erscheinung. An einem von ihm gegründeten Internat auf Java rekrutierten Terrorgruppen ihren Nachwuchs. Der Koran-Lehrer war auch bei der Gründung der JI ("Islamische Gemeinschaft") dabei.

Baschir lebte mehrere Jahre in Malaysia im Exil. Seit seiner Rückkehr 1998 saß er mehrfach im Gefängnis. Wegen Unterstützung für ein terroristisches Ausbildungscamp wurde er schließlich 2011 zu 15 Jahren Haft verurteilt. Auf die Möglichkeit, den verachteten indonesischen Staat um eine Begnadigung zu bitten, verzichtete er.

Die Entscheidung kam deshalb überraschend. Zwar ist es auch in Indonesien möglich, nach Verbüßung eines Großteils der Strafe vorzeitig freizukommen. Aber warum jetzt? Viele vermuten, dass dies damit zusammenhängt, dass Indonesien in drei Monaten - am 24. April - über seinen nächsten Präsidenten entscheidet. Widodo (57) hat gute Chancen, im Amt zu bleiben. Er braucht jedoch auch Stimmen aus dem konservativen islamischen Lager, das immer mehr an Einfluss gewinnt.

Die Asien-Expertin Sidney Jones vom Institut für Konfliktforschung in Jakarta hält die Entscheidung dennoch für falsch. Zum einen, "weil die Dschihadisten ihren Helden zurückbekommen". Aber auch für Widodo selbst: "Entweder es sieht so aus, als ob er für ein paar Stimmen alles tut - oder dass er politisch so taub und blind ist, dass er keine Ahnung hatte, welche Konsequenzen die Freilassung haben wird".

Im Prinzip sind nun drei Dinge möglich: Es bleibt bei der Entlassung. Sie wird verschoben. Oder Baschir bekommt eine Art Hausarrest mit Redeverbot.

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