Ukraine-Krise Merkel und Obama zeigen eine inszenierte Einigkeit

WASHINGTON · Krise hin, Krise her. Für einen Scherz muss auch in widrigen Phasen Zeit sein. Und so vermengte Barack Obama gestern im East Room des Weißen Hauses bei der Begrüßung seine Glückwünsche an Angela Merkel für den Fußball-Weltmeistertitel im vergangenen Jahr mit einer ambitionierten Drohung, die US-Nationalcoach Jürgen Klinsmann im sportverrückten Amerika noch aufs Brot geschmiert werden könnte: "Passt auf, wir kommen!"

Was danach kam, war inszenierte Einigkeit zweier Schlüsselfiguren der Weltpolitik in Reinform. Amerikas Präsident und Deutschlands Kanzlerin wollen Russlands Präsidenten Wladimir Putin "trotz vieler Rückschläge" (Merkel) unverändert allein mit diplomatischen Mitteln und Wirtschaftssanktionen zum Einlenken bewegen, um die Krise in der Ukraine zu entschärfen.

Der laute Ruf von republikanischen US-Senatoren bei der Sicherheitskonferenz in München nach Waffenlieferungen an Kiew, um sich der von Moskau alimentierten Separatisten zu erwehren, "hat gerade einen großen Schalldämpfer bekommen", sagte ein Washingtoner Kolumnist beim Rückweg aus dem Hochsicherheits-Komplex an der Pennsylvania Avenue.

Obama übte sich dabei in einem vielsagenden Spagat. Gewiss lasse er für den denkbaren Fall eines Scheiterns der Friedensbemühungen morgen in Minsk von seinen Stäben die "Option" prüfen, die ukrainische Armee zum Zweck der Selbstverteidigung mit schwerem Gerät auszurüsten.

Eine Entscheidung dafür oder dagegen sei aber weder geplant noch getroffen. Auch gebe es keine "rote Linie", an der sich seine Haltung dazu entscheiden werde, sagte Obama. Um wenige Atemzüge später seine offenkundige Skepsis gegenüber der Wirksamkeit einer militärischen Auseinandersetzung "Kiew kontra Separatisten" zu betonen. "Die Aussicht für eine militärische Lösung des Problems war immer niedrig. Russland hat offensichtlich ein außergewöhnlich starkes Militär."

Merkel sagt es knapper ("Eine militärische Lösung sehe ich nicht") - meint aber das Gleiche. Ihr Motiv, morgen "ohne jede Garantie auf Erfolg" mit dem französischen Präsidenten François Hollande, Putin und dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko in Minsk am Tisch zu sitzen, beschrieb sie so: "Ich würde mir große Vorwürfe machen, wenn man es nicht versucht hätte." Merkel deutet dabei an, was für sie nicht verhandelbar ist: "Wenn wir die territoriale Integrität aufgeben", sagte sie mit Blick auf die von Moskau beförderten Grenzverschiebungen im Osten der Ukraine, "dann können wir die Friedensordnung in Europa nicht aufrechterhalten."

Wer Obama in diesem Augenblick dabei beobachtete, wie er Merkel beobachtete, spürte eine Wertschätzung, die sich bei der Frau aus dem Osten Deutschlands beinahe physisch auswirkte. Was Körperspannung und Mundwinkeltiefe anging, kein Vergleich zum letzten Besuch im Oval Office im Mai 2014, als das Verhältnis wegen der Abhörwut des Geheimdienstes NSA schwer angegriffen war.

Im Dutzend betonte der Gastgeber die Ausdauer, Beharrlichkeit und "außergewöhnliche Geduld", die seine "Partnerin" Angela Merkel beim dem Versuch an den Tag lege, die Krise um die Ukraine in den Griff zu bekommen. Wie sehr den Regierungschefs um den Eindruck von Gleichklang und Schulterschluss gelegen war, zeigten Antworten auf die Frage, was denn geschehe, wenn Putin sich nicht bewegen sollte.

Auch dann wird es weiter ein "starkes gemeinsames Vorgehen geben", sagte Obama. Auch dann, wenn Washington doch noch auf den Waffentick verfallen sollte? Merkel schüttete den Graben zu, bevor er ausgehoben werden konnte. "Wir vertreten die gleichen Prinzipien. Wir sind in enger Abstimmung. Das wird auch so fortgeführt. Das ist eine der wichtigsten Botschaften in Richtung Russland."

Über Waffen will Obama zur Freude Merkels am liebsten gar nicht reden an diesem trüb-kalten Februartag. "Wir möchten nicht, dass Russland scheitert", sagt er. Aber wer im 21. Jahrhundert Grenzen mit der Waffe neu ziehen wolle, der werde dafür einen Preis zu bezahlen haben. Härtere Wirtschaftssanktionen, das deutete der Präsident sehr wohl an, könnten den Preis für Moskau weiter in die Höhe treiben.

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