Reise nach Washington Merkel will bei Trump Stimmung im Handelsstreit verbessern

Berlin · Angela Merkel reist zu US-Präsident Donald Trump - in einem höchst angespannten Umfeld. Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist schlecht. Es geht um Zölle und den Atomdeal mit dem Iran.

 Der Airbus A340 der Luftwaffe "Konrad Adenauer" steht auf dem militärischen Teil des Berliner Flughafens Tegel für den Abflug der Bundeskanzlerin nach Washington DC bereit.

Der Airbus A340 der Luftwaffe "Konrad Adenauer" steht auf dem militärischen Teil des Berliner Flughafens Tegel für den Abflug der Bundeskanzlerin nach Washington DC bereit.

Foto: Kay Nietfeld

In heikler Mission reist Angela Merkel nach Washington: Wenige Tage vor Ablauf einer Schonfrist für die EU-Länder bei Zöllen auf Stahl und Aluminium will sie das Gewicht des Handelsriesen Deutschland in die Waagschale werfen.

Die Bundesregierung glaubt jedoch im Gegensatz zur eigentlich federführenden EU-Kommission in Brüssel nicht mehr an ein schnelles Einlenken Washingtons. Stattdessen schlug Berlin kurz vor Merkels Reiseantritt vor, neue Verhandlungen über das gesamte Paket Industriezölle zu führen. Trump beklagt, dass die EU insgesamt höhere Einfuhrhemmnisse für US-Waren erhebt, als andersherum. Es müsse über alle Industriezölle gesprochen werden, hieß es am Donnerstag in deutschen Regierungskreisen in Berlin. Nur über Zölle für deutsche Autos zu reden, sei nicht akzeptabel.

Die mit dem Verhandlungsmandat für alle 28 EU-Staaten ausgestattete EU-Kommission rechnet im Gegensatz zur deutschen Regierung weiter mit einer Verlängerung der Ausnahme für gesamte Union. "Unsere Erwartung bleibt, ausgenommen zu bleiben, aber falls nötig sind wir bereit", sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am Donnerstag. Man stehe in ständigem Kontakt mit der US-Administration und dringe auf eine "dauerhafte und bedingungslose Ausnahme". Für den Fall, dass europäische Unternehmen nicht dauerhaft von den neuen US-Zöllen auf Stahl- und Aluminiumerzeugnisse ausgenommen werden, hatte die EU bereits Vergeltungszölle angekündigt.

Merkel ist zu ihrem zweiten Besuch bei Trump nach Washington abgereist . Die Gespräche mit dem US-Präsidenten sind für Freitagabend deutscher Zeit geplant. Neben dem drohenden Handelskrieg zwischen den USA und Europa dürften die Krisen in Syrien und im Iran sowie der Streit um die Gaspipeline Nordstream 2 aus Russland im Mittelpunkt stehen.

In der Irankrise steht spätestens am 12. Mai eine Entscheidung in den USA an, die den 2015 abgeschlossenen Atomdeal kippen könnte. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte bei seinem Washington-Besuch Anfang der Woche Trump eine Linie aufgezeigt, wie die US-Interessen mit denen der übrigen Parteien des Abkommens unter einen Hut gebracht werden können. Ob sich der US-Präsident darauf einlässt, ist derzeit unklar.

Nach dem französischen Präsidenten ist Merkel die zweite wichtige Politikerin aus Europa, die innerhalb weniger Tage mit Trump zusammentrifft. Erstmals hatte Merkel den US-Präsidenten im März 2017 besucht. Das Verhältnis zwischen beiden gilt auch persönlich als nicht spannungsfrei.

Deutsche Regierungskreise versuchten vor der Reise Merkels, Trumps Vorwurf mangelnder Fairness in den Handelsbeziehungen zu entkräften. Kritik des US-Präsidenten, Deutschland mache sich mit dem Projekt der Ostseepipeline Nordstream 2 zu stark von russischem Gas abhängig, wiesen sie ebenfalls zurück. Der Anteil russischen Gases am deutschen Verbrauch liege bei 37 Prozent und nicht bei 60 Prozent, wie behauptet. Angesichts des prognostizierten steigenden Verbrauchs werde das Nordstream-2-Projekt Deutschland nicht abhängiger von Moskau machen.

In Regierungskreisen hieß es, die Kanzlerin werde mit Trump auch über die Strafzölle auf Stahl und Aluminium reden. Trotz der Einschätzung, dass die Ausnahmen für die EU nicht über den 1. Mai hinaus verlängert würden, will die deutsche Seite dafür plädieren, Strafzölle zunächst zu verschieben. Würde dies geschehen, wolle man einen Dialog mit den Amerikanern über Zölle und Handelsschranken starten. Merkels Ziel sei es, die für beide Seiten nützlichen sehr guten Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen, hieß es weiter.

Die deutschen Regierungskreise räumten zwar ein, dass es nach wie vor einen deutschen Handelsüberschuss von 50 Milliarden Euro mit den USA gebe - ein häufiger Kritikpunkt Trumps. Das Handelsbilanzdefizit gehe aber zurück, seit 2015 beispielsweise von 2,1 auf 1,6 Prozent. Zudem seien für die Bilanz Faktoren verantwortlich, die von der Bundesregierung nicht beeinflusst werden könnten, wie die Währungskurse, der Ölpreis oder die demografische Entwicklung. Deutsche Firmen investierten in den USA 210 Milliarden Euro, während die USA in Deutschland nur 112 Milliarden investierten. Außerdem hätten deutsche Firmen 2015 in den USA 837.000 Arbeitskräfte beschäftigt.

Auch den Vorwurf Trumps, es gebe in Europa unfaire Zölle auf Pkw, wiesen die Regierungskreise strikt zurück. Wenn man die Zahlen (Europa: 10 Prozent, USA: 3 Prozent) etwa um den in den Vereinigten Staaten wichtigen Markt von Pick-ups oder sogenannten SUVs gewichte und glätte, sei man schon bei "fast ausgeglichenen" Zöllen. In der gesamten Industrie mit Ausnahme des Agrarsektors seien die Zölle in Europa sogar ein wenig niedriger als in den USA: Dort betragen sie demnach in diesem Bereich 1,6 Prozent, in Europa 1,4 Prozent.

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