Minderheitsregierung in Großbritannien May muss schmerzhafte Zugeständnisse machen

London · Großbritanniens geduldete Minderheitsregierung steht. Allerdings müssen die Tories auf viel Geld zugunsten der Regionalpartei DUP verzichten.

 Großbritanniens Premierministerin Theresa May (l) und die Vorsitzende der DUP, Arlene Foster.

Großbritanniens Premierministerin Theresa May (l) und die Vorsitzende der DUP, Arlene Foster.

Foto: dpa

Manche verglichen die Situation vor der Downing Street mit dem Ritual bei einer Papstwahl in Rom. Seit mehr als zwei Wochen warteten Dutzende Journalisten vor dem Regierungssitz von Premierministerin Theresa May quasi auf den aufsteigenden weißen Rauch und damit auf das Signal, dass die Konservativen sich mit der nordirischen Regionalpartei DUP auf eine Minderheitsregierung geeinigt haben. Am Montag war es soweit. Die Verhandler unterzeichneten ein Abkommen, das garantieren soll, dass die Tories, die bei der Wahl am 8. Juni ihre absolute Mehrheit verloren hatten, von der DUP in einer Minderheitsregierung geduldet werden.

Eine formale Koalition bilden die beiden Parteien nicht. Es geht für die Konservativen darum, sich die Unterstützung der zehn DUP-Abgeordneten zu sichern, um bei Abstimmungen die nötige Mehrheit zu erreichen. Doch die Vereinbarung hatte ihren Preis. Eine Milliarde Pfund zusätzlich, umgerechnet mehr als 1,1 Milliarden Euro, fließen in den kommenden zwei Jahren nach Nordirland, insgesamt gibt es 1,5 Milliarden Pfund (rund 1,7 Milliarden Euro). Das Geld solle in die Wirtschaft, Infrastruktur, Gesundheit und Bildung investiert werden, kündigte die sichtlich zufriedene DUP-Parteichefin Arlene Foster an. Die Opposition kritisierte die Einigung scharf. Sie sei „nicht im nationalen Interesse“, sagte der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn. Auch andere Teile des Königreichs bräuchten mehr finanzielle Hilfe.

Die angepeilte Zusammenarbeit mit der erzkonservativen Regionalpartei hat selbst innerhalb der konservativen Reihen hitzige Diskussionen ausgelöst. So lehnt diese Abtreibungen ebenso wie die gleichgeschlechtliche Ehe ab. Zudem zweifeln zahlreiche DUP-Mitglieder den menschengemachten Klimawandel an. Doch laut Theresa May teile man „viele Werte“ mit den Nordiren, die auf der Seite der Brexit-Anhänger stehen – obwohl künftig die einzige Außengrenze zur EU zwischen dem britischen Landesteil und der Republik Irland verlaufen wird.

Eine harte Grenze lehnt die DUP ab. Wie aber soll künftig die Zahl der Einwanderer kontrolliert werden können? Die Kontrolle über die Grenzen gehört zu den Schlüsselforderungen der EU-Skeptiker, die Garantie der Rechte von auf der Insel lebenden EU-Bürgern dagegen zu jenen von Europafreunden. Den rund 3,2 Millionen betroffenen Menschen unterbreitete May ein Angebot. „Wir wollen, dass ihr bleibt“, richtete sie sich im Parlament an Menschen aus den 27 Mitgliedstaaten, die in Großbritannien ihr Zuhause gefunden haben.

May lieferte Details. Demnach sollen alle EU-Ausländer, die sich vor dem Brexit im Königreich niedergelassen haben, nach fünf Jahren ein Bleiberecht beantragen können. Bezüglich Sozialleistungen, Rentenansprüchen oder der Gesundheitsversorgung hätten sie dieselben Rechte wie Briten, nur wählen dürften sie nicht. Offen ist, welches Datum als Stichtag für die Fünf-Jahres-Regelung gelten soll. Wer bis zum Brexit noch keine fünf Jahre im Land gelebt hat, soll die Möglichkeit bekommen, einen geregelten Status zu erhalten.

EU-Bürger mit Bleiberecht, die für zwei Jahre Großbritannien verlassen, verlieren den Anspruch auf den Rechtsstatus. Besonders heikel aber dürfte ein anderer Punkt sein: May will dem Europäischen Gerichtshof die Zuständigkeit bei Streitfragen, die Rechte der EU-Bürger betreffen, entziehen. Corbyn sah das als Bestätigung, dass May „die Leute als Verhandlungsmasse einsetzen will“.

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