Kommentar zur Wahl in Italien Matteo Renzis Zitterpartie

Meinung | Rom · Ein Ja zur Verfassungsreform in Italien wäre ein Gewinn für Europa. Entscheiden sich die Italiener aber dagegen, könnte Matteo Renzi nach David Cameron der zweite europäische Regierungschef sein, den eine politische Wette das Amt kostet.

 Matteo Renzi versprach sich durch das Referendum einen zusätzlichen Schub für seine Politik. Dieser Plan droht zu scheitern.

Matteo Renzi versprach sich durch das Referendum einen zusätzlichen Schub für seine Politik. Dieser Plan droht zu scheitern.

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Seit etwa 35 Jahren gibt es konkrete Pläne, das umständliche parlamentarische System in Italien zu verändern. Abgeordnetenhaus und Senat in Rom sind gleichberechtigte Kammern, Gesetze pendeln vor ihrer Verabschiedung bis zu dreimal hin und her. Regierungen sind auf das Vertrauen beider Kammern angewiesen. Weil diese mit verschiedenen Systemen gewählt werden, kämpft die Exekutive seit jeher mit unterschiedlichen Mehrheiten. Auch deshalb brachte es Italien in den vergangenen 70 Jahren auf stolze 63 Regierungen.

Die Italiener können diesem Leid am kommenden Sonntag beim Referendum über die Verfassungsreform ein Ende bereiten. Ein Ja zur Reform wäre auch ein Gewinn für Europa. Durch die geplante Verfassungsreform der Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi würde Italiens Politik an Stabilität, Kontinuität und Effizienz gewinnen.

Die Gegner von Ministerpräsident Matteo Renzi erkennen in der Abstimmung eine ganz andere Chance. Sie hoffen, den 41-Jährigen Premier loszuwerden und könnten mit diesem Ansinnen Erfolg haben. Renzi hat die Verfassungsreform als Kern seiner Reformpläne bezeichnet, eine Niederlage beim Referendum wäre eine persönliche Schmach.

Ironischerweise hat sich Renzi diesem Risiko ohne Not selbst ausgesetzt. Beide Parlamentskammern hatten der Verfassungsreform bereits zugestimmt. Der Premier veranlasste im April die Volksabstimmung, weil er angesichts guter Umfragewerte vom Plazet der Italiener überzeugt war. Renzi versprach sich einen zusätzlichen Schub für seine Politik.

Dieser Plan droht zu scheitern. Die letzten Umfragen haben gezeigt, dass die Gegner der Reform in der Überzahl sein könnten. Nach David Cameron könnte Renzi der zweite europäische Regierungschef sein, den eine politische Wette das Amt kostet.

Sollte der Ministerpräsident wider Erwarten als Sieger aus der Abstimmung hervorgehen, ist dennoch nicht alles im Lot. Die Bilanz Renzis nach zweieinhalb Jahren an der Macht ist durchwachsen. Mit Blick auf das Referendum schielte der Premier in den letzten Monaten vor allem auf die Stimmungen im Land, anstatt den Wandel voranzutreiben.

Ein Sieg wäre gleichwohl ein persönlicher Erfolg Renzis. Die veränderte Verfassung würde das Regieren einfacher machen, der Regierungschef benötigte nur noch das Vertrauen des Abgeordnetenhauses.

Doch die Alternativen sind unwägbar. Setzen sich die Gegner der Reform durch, sind viele Szenarien denkbar. Ein Rücktritt Renzis wäre wahrscheinlich. Extremisten hätten leichteres Spiel. Wie die Finanzmärkte auf die Ablehnung der Reform reagieren und welchen Belastungen das marode italienische Bankensystem ausgesetzt würde, darüber kann nur spekuliert werden. Von stabilen Verhältnissen wäre Italien jedenfalls weit entfernt.

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