Aussicht auf satte Mehrheit Macrons Durchmarsch bei der Parlamentswahl

Paris · Bei der französischen Parlamentswahl hat die Partei des Präsidenten Emmanuel Macron Kurs auf die absolute Mehrheit genommen. Der Staatschef hat die erste Runde deutlich gewonnen.

Der Kellner in einem Pariser Café hat ein starkes politisches Sendungsbedürfnis. Manchen Gästen serviert er an diesem sonnigen Wahlsonntag mit einem kühlen Getränk eine Aufforderung mit. „Wir müssen heute alle für Macrons Partei wählen gehen, damit er regieren kann. Alles andere würde uns ins Chaos führen.“

Was die Wahlbeteiligung angeht, ging sein Wunsch nicht in Erfüllung: Sie lag bei der ersten Runde der französischen Parlamentswahlen mit weniger als 50 Prozent besonders niedrig und spiegelt damit nicht gerade ein überwältigendes Interesse der Franzosen wider. Anders das Ergebnis für Macrons Partei „La République en Marche“ (REM): Sie holte mehr als 30 Prozent und ist damit für die zweite Runde am kommenden Sonntag sehr gut positioniert. Ersten Hochrechnungen zufolge könnte die Partei zwischen 390 und 440 der insgesamt 577 Sitze gewinnen.

Demnach wird sie auf eine spektakulär eindeutige Weise eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erreichen. Das gibt Präsident Emmanuel Macron großen Handlungsspielraum für die Umsetzung seiner politischen Projekte, allen voran Reformen des Arbeitsrechts, aber auch in den Bereichen der Sicherheit oder der Bildungspolitik. Der 39-Jährige wird damit ein Präsident mit einer enormen Machtfülle sein – so groß, dass er sich selbst etwas beunruhigte, wenn man dem Enthüllungsblatt „Le Canard Enchaîné“ glaubt: „Wir werden viele Abgeordnete haben, fast zu viele“, sagte der Präsident demzufolge. „Man wird sie führen müssen, um ein Durcheinander zu vermeiden.“

Sozialisten stürzten ab

Denn zum einen handelt es sich bei den REM-Bewerbern – Macrons Versprechen einer Erneuerung gemäß – um zahlreiche Politik-Neulinge, die bislang andere Jobs ausübten. Zum anderen erscheint die Opposition so geschwächt wie nie zuvor nach einem langen, aufreibenden Präsidentschaftswahlkampf, der im Sieg Macrons gipfelte.

Die Sozialisten, die bislang eine Mehrheit mit fast 300 der insgesamt 577 Sitze innehatten, stürzten ab und könnten nur noch 20 bis 35 halten – ein dramatisches Ergebnis. In fünf Jahren unter Präsident François Hollande hat sich die Partei in Anhänger einer moderat unternehmerfreundlichen Regierungslinie einerseits und einen Flügel der Parteilinken als innerparteilicher Opposition andererseits gespalten, denen wiederum die radikale Linke um ihren Spitzenkandidaten Jean-Luc Mélenchon Konkurrenz machte.

Doch auch dieser punktete gestern wenig und lag unter den Erwartungen. Zwischen elf und 21 Sitze könnten für die Kandidaten des Linkspopulisten herauskommen. Alle Parteien, die mehr als 12,5 Prozent der Stimmen erhielten, qualifizieren sich für die zweite Runde.

Konservative Republikaner stärkste Oppositionskraft

Stärkste und zugleich massiv geschwächte Oppositionskraft werden die konservativen Republikaner, die ersten Hochrechnungen zufolge bei rund 21 Prozent lagen. Indem Macron bei der Regierungsbildung so demonstrativ auf die Republikaner zuging, dass er mit Édouard Philippe und Bruno Le Maire sogar rechtsbürgerliche Premierminister und Wirtschaftsminister einsetzte, sorgte er für zusätzliche Unruhe in der Partei, die die zweite Runde der Präsidentschaftswahl verpasst hatte.

Stattdessen war der Rechtspopulistin Marine Le Pen der Einzug in die Stichwahl im Mai gelungen. Zwar fuhr die Chefin der Front National mit 34 Prozent einen historischen Erfolg ein – doch wahrgenommen wurde er als Niederlage, weil er ihre Grenzen aufzeigte. Auch in der gestrigen ersten Parlamentswahlrunde erzielte die Front National mit rund 14 Prozent ein enttäuschendes Ergebnis, das ihr drei bis zehn Sitze einbringen könnte – für die Bildung einer eigenen Gruppe sind aber 15 Abgeordnetensitze nötig. Le Pen selbst lag in ihrem Wahlkreis im Norden des Landes an der Spitze, ein Mandat scheint in Reichweite. Doch anders als bei vielen Wahlen in den vergangenen Jahren bestimmte nicht die Rechtspopulistin die Analysen des Abends. Man fokussierte sich auf Macrons Partei – wie so mancher Pariser Kellner.

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