Kommentar zur Jerusalem-Entscheidung Lunte angezündet

Meinung | Bonn · Dummheit kombiniert mit Bulldozermentalität machen Donald Trump aus. Dies war schon immer eine verheerende Mischung, kommentiert Sandro Schmidt.

 Blick auf die Klagemauer und den Felsendom, zwei der wichtigsten Heiligtümer der Juden und Muslimen.

Blick auf die Klagemauer und den Felsendom, zwei der wichtigsten Heiligtümer der Juden und Muslimen.

Foto: dpa

Papst Franziskus mahnte vergeblich zu „Weisheit und Vorsicht“, Deutschland, Frankreich und andere Nato-Verbündete warnten eindringlich vor den absehbaren Folgen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan formulierte unmissverständlich: „Herr Trump, Jerusalem ist die rote Linie der Muslime.“ Das alles hat den US- Präsidenten nicht davon abhalten können, einen neuen Brandherd im ohnehin krisengeschüttelten Nahen Osten zu entfachen und die De-facto-Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels anzukündigen. Eine beispiellose Kehrtwende der US-Nahostpolitik.

Der Status von Jerusalem gehört neben der Frage des Rückkehrrechts palästinensischer Flüchtlinge in ihre alten Heimatdörfer zu den schwierigsten Problemen, die einer Friedenslösung zwischen den Israelis und ihren arabischen Nachbarn im Wege stehen. Den Muslimen gilt die Stadt nach Mekka und Medina als heiligste Stätte ihre Glaubens, den Christen als Schauplatz der Leidensgeschichte, Kreuzigung und Auferstehung Jesu und den Juden als Zentrum ihrer Religion.

Der politische Status ist umstritten, die Annektierung des von den Palästinensern beanspruchten Ostteils durch Israel international nicht anerkannt. Donald Trump will mit seiner Entscheidung neue Fakten zugunsten Israels schaffen. Mit der geplanten Verlegung der US-Botschaft löst er ein opportunistisch abgegebenes Wahlkampfversprechen ein, mit dem er die starke proisraelische Lobby in den USA und auch viele evangelikale Gruppen geködert hatte.

Die De-facto-Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels ist aber nicht nur politisch dumm, sondern auch für die US-Außenpolitik kontraproduktiv. Sie gefährdet massiv die eigene Nahoststrategie, die vor allem die Eindämmung des Einflusses Irans ins Zentrum stellt. Washington ist seit einiger Zeit hinter den Kulissen dabei, eine Achse politischer und geheimdienstlicher Zusammenarbeit zwischen Saudi-Arabien, diversen Golfstaaten, Jordanien und Israel zu schmieden, um ein Gegenwicht gegen die neue russisch-türkisch-iranische Allianz zu schaffen. Diese Bemühungen sind nun massiv gefährdet.

Denn kein arabischer Staat wird es vor der Geschichte und vor der eigenen Bevölkerung rechtfertigen können, Jerusalem als ein Zentrum der muslimischen Welt verloren zu geben. Die Palästinenser riefen „Tage des Zorns“ aus, schwere Krawalle und Anschläge sind zu befürchten. Klar ist zudem, dass ein Verhandlungsprozess zwischen Israelis und Palästinensern auf absehbare Zeit nicht mehr in Gang kommen wird.

Trump hat die Lunte einer hochexplosiven Bombe gezündet. „Weisheit und Vorsicht“ gehören ohnehin nicht zu den bekannten Charaktereigenschaften des US-Präsidenten. Dummheit kombiniert mit Bulldozermentalität hätte es aber auch nicht sein müssen: Dies war schon immer eine verheerende Mischung.

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