US-Wahlkampf Lungenentzündung im Wahlkampffieber

Washington · Hillary Clintons Gesundheitsprobleme könnten dem Tauziehen mit ihrem Rivalen Donald Trump eine Wende geben.

Ein Schild mit einem Porträt von Hillary Clinton ist am 12.09.2016 bei Protesten gegen die Eröffnung des neuen Hotels des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump vor dem neuem Trump International Hotel in Washington DC, USA, zu sehen.

Ein Schild mit einem Porträt von Hillary Clinton ist am 12.09.2016 bei Protesten gegen die Eröffnung des neuen Hotels des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump vor dem neuem Trump International Hotel in Washington DC, USA, zu sehen.

Foto: picture alliance / dpa

Ein leutseliger Blick. Dann ein freundliches „Wie geht’s Dir? Alles wieder in Ordnung?“ Wenn Donald Trumps Strippenzieher clever sind, werden sie dem New Yorker Milliardär in der ersten Fernsehdebatte der Präsidentschaftskandidaten am 26. September genau diesen Einstieg empfehlen. Hillary Clinton wäre von Beginn an in der Defensive. Seit ihrem Schwächeanfall am Sonntag bei der Gedenkfeier für die Terroranschläge vom 11. September 2001 ist die Krankenakte der Demokratin ganz nach vorn auf die Tagesordnung gerückt. Manche Republikaner fiebern bereits voreilig einem Trump-Sieg entgegen.

Doch gemach. Der Vorfall an sich, so der Tenor vieler US-Kommentatoren, war „keine Katastrophe“. Auch wenn die verwackelten Handy-Bilder von einer hilflos strauchelnden Clinton, der die Beine wegknicken, bevor sie von Mitarbeitern in ein Auto bugsiert wird, kein Beleg für die „unverwüstliche Vitalität“ sind, die Amerikaner sich von ihren Präsidenten/-innen wünschen.

Zur Affäre wurde der Vorgang erst durch die undurchsichtige Informationspolitik ihres Teams. Stundenlang wurde geschwiegen. Dann kam Leibärztin Lisa Bardack mit dem Bulletin, das wie eine Bombe einschlug: Clinton hatte demnach bereits seit Freitag eine Lungenentzündung. Sie wurde mit Antibiotika behandelt und hatte bei der Trauerfeier, von der man ihr vorher abriet, unter Hitze und Wassermangel gelitten. „Der Kollaps“, sagen Ärzte, „war programmiert.“ Eine Wahlkampfreise nach Kalifornien sagte Clinton ab. Wann sie wieder ins kräftezehrende Geschehen eingreift, ist offen.

Zwei Monate vor dem Wahltag ist die Diagnose und der Umgang damit für Clinton ein heftiger Rückschlag. Über Wochen hatte ihr Widersacher Donald Trump der bald 69-Jährigen die „körperliche und geistige Gesundheit“ abgesprochen, um das höchste Staatsamt auszufüllen. Der Republikaner, im Falle eines Sieges selbst schon 70 Jahre alt, machte sich dabei Spekulationen zu eigen, die im Internet kreisen. Danach soll Clinton einen schweren Sturz vor vier Jahren, der sie als Außenministerin mit einer Gehirnerschütterung samt Blutgerinnsel im Kopf wochenlang aus dem Verkehr gezogen war, nie richtig überstanden haben. Trumps Büchsenspanner dichteten ihr sogar eingeschränktes Sprachvermögen an. Clinton widersprach der „üblen Nachrede“ vehement, bemühte sich zuletzt besonders um kraftvolles Auftreten. In einer Fernsehshow öffnete sie wie zum Beweis ein fest zugeschraubtes Gurkenglas. Und drehte den Spieß kurzerhand um.

Trump, durch rhetorische Fehltritte einschlägig beleumundet, sei mental und psychisch vollkommen ungeeignet für den Job im Weißen Haus, sagte sie. Ein von Trumps Hausarzt Harold Bornstein vorgelegtes Bulletin über den Bauunternehmer (Tenor: nie getrunken – nie geraucht – fit wie Turnschuh!) wies Clinton ins Reich der schlecht erzählten Märchen.

Dorthin, wo traditionell – aber ganz in echt – viele Geschichten um den oft geschönten Zustand amerikanischer Präsidenten spielen. 1919 verschwieg man den Bürgern, dass Woodrow Wilson nach einem Schlaganfall geistig schwer behindert und amtsunfähig war. Ehefrau Edith übernahm de facto die Regie. 1960 verheimlichte die Leibärztin von John F. Kennedy, dass der Politstar an der Nebennieren-Erkrankung Morbus Addison litt. Am raffiniertesten wurde die Fiktion eines gesunden Staatschefs im Fall von Franklin Roosevelt am Leben erhalten. Während seiner zwölfjährigen Amtszeit unterdrückten er und seine Berater die Tatsche, dass der an Kinderlähmung erkrankte Politiker nie ohne stählerne Beinstützen gehen konnte.

Historiker bemühten sich gestern, die Causa Clinton entschieden tiefer zu hängen. Als Vergleich sei eher „die Peinlichkeit zulässig“, die George Bush I. 1992 in Japan widerfuhr, hieß es in Washingtoner Denkfabriken. Beim Staatsbankett musste sich der an einer Magen-Darm-Grippe erkrankte Republikaner damals übergeben. Ausgerechnet in den Schoß des japanischen Premierministers Kiichi Miyazawa.

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